Wie aus einem Karton mit 35 000 Negativen eine Ausstellung wurde
Die Archivarinnen Julia Lederle-Wintgens und Andrea Trudewind können sich heute gut vorstellen, wie Jürgen Retzlaff vor mehreren Jahrzehnten gearbeitet hat. Die beiden sehen auf dem Computer-Bildschirm jeweils die Negative eines Films: Eine Halle des Flughafens, Häuser in Lörick, Kinder am Schwanenspiegel, eine Demonstration für den Hofgarten — so sieht beispielsweise eine Serie von 36 Bildern aus, die einen normalen Arbeitstag widerspiegelt.
35 000 Negative hat das Stadtarchiv von Retzlaff erhalten, aus denen nun die Ausstellung „Durch Schau Rück Blick“ entstanden ist.
Trudewind hat Retzlaff in den 90er Jahren kennengelernt, als er noch für unsere Zeitung im Einsatz war. Da damals das Digitalisieren von Bildern kaum möglich war, schickten die Redaktionen Fotografen ins Archiv, um alte Bilder zu reproduzieren. „Irgendwann kriegt ihr mich auch“, sagte Retzlaff damals. Einige Jahre später kam der Anruf. „Jetzt ist es soweit“, sagte der Mann, der frisch in Rente war. Im Archiv erschien Retzlaff mit einem großen Karton, in dem viele kleine Pappen waren, die Negativkarteien, die überraschend gut beschriftet waren, dafür dass sie aus dem Arbeitsalltag stammten.
Das Medienzentrum am Bertha-von-Suttner-Platz half dem Stadtarchiv, die Negative zu digitalisieren, dann folgten viele Jahre der Sichtung. Eine Studentin unterstützte die Archivare, füllte Tabellen und schrieb auf, was immer sie erkannte. Die junge Frau, die inzwischen ihre Doktorarbeit schreibt, arbeitet immer noch an der Sammlung.
Als Lederle-Wintgens und Trudewind im Herbst die Woche der Archive vorbereiteten, wollten sie den fotografischen Teil des Archivs in den Mittelpunkt stellen. „Viele kennen unsere gedruckte Sammlung, wissen aber nicht, dass wir die fotografische Sammlung schlechthin haben“, sagt die stellvertretende Leiterin des Stadtarchivs, Lederle-Wintgens. Das erschien um so bedauerlicher, als alte Bilder auf der Facebook-Seite des Instituts regelmäßig für spannende Diskussionen sorgen.
So entschieden sich die beiden für Retzlaff. Schwerpunkte waren dabei sein Blick auf die Stadt und seine Fotos von Düsseldorfern, die auf ihre Stadt schauen. Retzlaff besuchte die beiden gelegentlich und half mit seinen Erinnerungen, die Bilder mit Jahreszahlen oder Ortsangaben zu versehen. „Das ist die Karl-Geusen-Straße“, sagte er, als er ein Bild anschaute, auf dem Jungs über einen Zaun schauen, um ein Fußballspiel zu verfolgen. „Es ist schön, dass die Bilder so erhalten geblieben sind und wir sie an einem Stück in unser Archiv aufnehmen konnten“, sagt Lederle-Wintgens. Das gilt um so mehr, wenn man weiß, was Jürgen Retzlaff früher an einem Tag alles machen musste.