Herr König, wie wird man eigentlich Kirmes-Architekt?
Volksfest Düsseldorfer Kirmesarchitekt: „Ich plane jedes Jahr eine kleine Stadt“
Düsseldorf · Am Freitag öffnet in Oberkassel die größte Kirmes am Rhein. Architekt Thomas König erklärt, wie alles an den richtigen Platz kommt.
Thomas König: Während meines Architektur-Studium habe ich vor 34 Jahren ein Praktikum bei Ludwig Kreutzer gemacht, der damals die Kirmes geplant hat. Das war im Juli und da hat er mich einfach mit auf die Rheinwiesen genommen. Damals hatte ich noch nichts mit Kirmes oder Schützen im Sinn. Aber es hat mich dann gepackt.
Vor ungefähr 20 Jahren bin ich dann Nachfolger von Ludwig Kreutzer geworden. Wann, das weiß ich gar nicht mehr genau.
Warum ist das eine spannende Aufgabe für einen Architekten?
Thomas König: Dass alles passt und die Fahrgeschäfte am richtigen Platz stehen, das kann eigentlich auch ein Landmesser. Aber ich plane im Prinzip jedes Jahr eine kleine Stadt. Es müssen Plätze gestaltet werden, kleine und große Fassaden sollen optisch harmonieren. Wir brauchen auf dem Platz Treffpunkte, Schwerpunkte und Fixpunkte. Ich muss mir auch überlegen, wie ich Menschen von A nach B bekomme. Die Querstraßen sind bei vielen Schaustellern unbeliebt, weil dort angeblich nicht so viele Besucher entlang laufen. Darum stelle ich dort immer eine der neuen Attraktionen hin, die auch Menschen anlocken.
Gibt es denn jedes Jahr immer noch die ganz große neue Attraktion?
König: Das ist immer schwieriger geworden. Früher hat die Familie Bruch zum Beispiel alle paar Jahre eine neue Achterbahn gekauft, vom Thriller bis zum Vierer-Looping. Das waren jeweils Investitionen von 15 bis 20 Millionen Euro. Das ist heute kaum noch darzustellen, weil es immer weniger Plätze gibt, auf denen Schausteller mit großen Fahrgeschäften Geld verdienen können. Mit Schützenfesten ist das nicht mehr zu machen. Die sind praktisch weggebrochen, gute Plätze sind heute neben Düsseldorf nur noch München, Crange, Bremen, Stuttgart und dann noch einige Traditionsfeste, die funktionieren. Wie die Soester Allerheiligenkirmes, die mitten in die Stadt gebaut wird.
Liegt das auch an den Freizeitparks?
König: Ich sehe die Freizeitparks nicht als großes Problem. Da ist alles immer gleich, das kann man mit einer Kirmes nicht vergleichen, die es nur zehn Tage gibt und die sich jedes Jahr verändert. Gehen Sie mal am späten Abend über die Rheinwiesen und erleben die Lichter, den Mandelgeruch, die Stimmen, die gesamte Atmosphäre. Das bekommen Sie in einem Freizeitpark niemals hin. Das Ganze muss ein Gesamt-Ensemble sein.
Also glauben Sie an die Zukunft der Kirmes?
König: Ich glaube daran. Die Zeit von „schneller, höher, weiter“ ist ganz klar vorbei. Das Thema ist irgendwann ausgereizt. Die Weltpremiere eines 150-Meter-Riesenrades ist sicher schön, aber welches Publikum kommt dafür nach Düsseldorf? Wir haben seit vielen Jahren ein ganz klares Konzept. Wir sind eine Familien-Kirmes. Die funktioniert mit Fahrgeschäften, Spiel, Fun. Das Volksfest muss einen Event-Charakter haben. Da könnte ich mir noch einiges vorstellen...
Und das wäre?
König: Zum Beispiel eine Modenschau. Die Kirmes kann ich mir als Kulisse dafür sehr gut vorstellen. Oder auch Kunst wäre eine schöne Idee. Wir hatten vor einigen Jahren mal zusammen mit dem Rochus-Club einen Tennisplatz. Der wurde zwar nicht immer bespielt, war aber weltweit im Internet ein Riesenerfolg. So macht man Werbung für die Kirmes.
Das heißt, die digitale Welt und das Internet werden auch für die Kirmes immer wichtiger?
König: Natürlich. Wir sind auf Facebook und Instagram aktiv. Außerdem haben wir eine sehr schöne Webseite mit einem Panorama-Überblick über den Festplatz. Auch auf dem Platz nutzen immer mehr Schausteller moderne Technologien. Auf der Wilden Maus konnten die Besucher im vergangenen Jahr erstmals mit einer Virtual-Reality-Brille fahren. Und auf der Geisterbahn wird bei der Fahrt mit Laser-Technik auf 300 Ziele geschossen. Das wird sich in den nächsten Jahren sicher noch fortsetzen.
Wo sehen Sie die Gefahren für die Kirmes?
König: Das Schaustellerleben ist knüppelhart geworden. Die Konkurrenz ist groß und die goldenen Zeiten sind lange vorbei. Es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die den harten Job machen möchten. Der Mindestlohn und die Arbeitszeiten nachts und an Wochenenden machen es nicht einfacher, obwohl die Arbeit gar nicht schlecht bezahlt wird. Das könnte langfristig zu einem großen Problem werden.