Opernpremiere in Düsseldorf: „Die Jungfrau von Orléans“  Jeanne d’Arcs Liebe am Rande des Schlachtfelds

Düsseldorf · „Die Jungfrau von Orléans“ von Tschaikowski wird in der Düsseldorfer Oper zum ersten Mal gezeigt.

Maria Kataeva spielt „Die Jungfrau von Orléans“.

Foto: Daniel Senzek

Das ist eine Oper, in der Schillers Tragödie und Tschaikowskis Musik zusammenfließen: „Die Jungfrau von Orléans“. Selten aufgeführt und noch nie in Düsseldorf auf der Bühne, feiert die Oper am Samstag Premiere. Regisseurin Elisabeth Stöppler hat sich des Historiendramas angenommen.

Warum ist dieses Werk eine solche Rarität? „Das habe ich mich auch gefragt“, antwortet sie. „Die Oper muss hochkarätig besetzt werden, die Figuren sind wahnsinnig anspruchsvoll – gesungene Schiller’sche Charakterrollen.“ Auch die Besetzung mit einem Mezzosopran in der Titelpartie sei ungewöhnlich und anspruchsvoll.

Maria Kataeva als sperrige Heldin und unzugängliche Kriegstreiberin, die sich manisch ihren Visionen verschreibt, hält Stöppler für einen Glücksfall. Nicht nur wegen Kataevas russischer Muttersprache. Die Sängerin stammt aus Sibirien. Sie kenne diese ferne Heimat, diese abgelegene Welt, trage wie Johanna das Schmerzliche, Suchende und Ruhelose in sich. „Vor allem aber ist sie eine Hammer-Sängerin“, schwärmt die Regisseurin, „die singt das nur so weg. Maria ist mit ihrer körperlichen Heftigkeit wie geschnitzt für die Rolle.“

Überhaupt hätten alle Figuren sehr viel Fleisch und konnten mit einigen weiteren russischen Ensemblemitgliedern treffend besetzt werden. „Die Jungfrau von Orléans“ ordnet Elisabeth Stöppler als Oper für Einsteiger ein. Bewusst habe sie versucht, die Handlung unsentimental, klar und geradlinig zu erzählen, damit man die verschiedenen Ebenen gut verstehe. Richtig durchschauen könne man Johanna kaum, sie sei mehr eine Antiheldin und bewahre stets etwas Geheimnisvolles.

Es klingen verschiedene Orchestersprachen an. Manches erinnert an Verdi, manches an Wagner. Jedes der sechs Bilder beginnt mit orchestralen Zwischenspielen. Im klassischen Sinn als Umbaumusik gedacht, treiben sie hier die Handlung fort.

Anders als bei Schiller, wo die Jungfrau immer statischer und fokussierter wird, durchlebt sie in der Oper eine Entwicklung. Tschaikowski, der die Handlung stark mit der Historie verschränkt, gönnt ihr eine Liebesarie mit Lionel, dem feindlichen Soldaten. „Als er erschossen wird, geht sie fast wie bei einem Sühnegang auf den Scheiterhaufen“, beschreibt Stöppler. Durch dieses Bekenntnis zur Liebe wandelt sich das Stück zur romantischen Tragödie, und Lionels Tod bekommt seinen Sinn.

Tschaikowski ist aktuell
nicht unumstritten

Hierbei spielt der die Inszenierung tragende Chor eine entscheidende Rolle. „Johanna verstummt, der Chor tritt an ihre Stelle und spricht für sie. Es wird immer emotionaler, und am Ende, so deuten wir es, gehen eigentlich alle durchs Feuer.“

Weiß man, was Tschaikowski an Jeanne d’Arc faszinierte? „In ihr sah er seine Heroine und identifizierte sich mit ihr. Er war ein hochsensibles, frühreifes Kind mit halb-französischer Erziehung“, erklärt die Regisseurin. Später wurde aus ihm ein unglücklicher Mann, der seine Homosexualität nicht ausleben konnte. „Die Jungfrau von Orléans“ – 1881 in St. Petersburg uraufgeführt – habe etwas Testamentarisches, sagt Stöppler.

Jede Diskussion, ob man in Zeiten der russischen Barbarei Tschaikowski spielen dürfe, war in Düsseldorf schnell vom Tisch. Gleichwohl sei die Erkenntnis schmerzhaft, „dass diese schöne russische Sprache jetzt die Sprache des Aggressors ist. Aber gerade deshalb finde ich es wichtig, sie zu hören“, bekräftigt sie. „Für mich ist es das Stück der Stunde.“