NRW Es geht einfach nicht bergauf

Ach du schöner Niederrhein, ich hatte ganz vergessen, wie flach du bist. Es ist ein Leichtes mit dem Drahtesel hier unterwegs zu sein. Keine überraschenden Anhöhen, gänzlich frei von Gebirgsketten.

Ein Selfie auf dem Sattel? Gar nicht so einfach! Auf jeden Fall macht es Spaß mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren.

Foto: Michael Sender

So oft es geht, steig ich nun auf den Sattel und fahre morgens von Krefeld nach Kempen. Abends wieder zurück. Eins ist mir in den ersten Tagen aufgefallen: besonders viele Fahrradpendler zwischen den beiden Städten scheint es nicht zu geben. Oder täuscht mein Eindruck? Unmotorisierte Zweiradpiraten – wo seid ihr? Ich möchte gemeinsam mit euch den Weg beschreiten. Gibt es euch da draußen? 

Raus aus der Ballungszone

Ich starte in Inrath. Eine Schülerwelle strömt mir entgegen. Sie fahren lässig, hektisch, freihändig oder ungebändigt. Ganz unterschiedlich eben. Eins ist ihnen gemein: die vier Buchstaben auf dem Velositz. Ob Hollandrad, Trekking- oder Mountainbike – der Nachwuchs nutzt den Asphalt ausgiebig um per Eigenantrieb zum Ziel zu kommen. Die Wege sind ja nicht weit, die Berge fern. Auch ein paar Erwachsene kommen aus dem Krefelder Norden und strampeln in Richtung Innenstadt. Ich dagegen will raus aus dem Ballungsraum, hinein ins Ländliche. Schnell bin ich in Hüls angekommen und spüre schon die leicht windige Landstraße. Lastwagen und PKW sind von nun an meine Begleiter.

Die Ausfahrt aus Hölsch ist eine buckelige Piste. Die Wurzeln der schönen Bäume sind stark. Sie zeigen dem Asphalt ihre Durchschlagskraft. Mit der schmalen Bereifung meines Rennrads fährt es sich etwas holprig auf dem Radweg. Kein Grund zum Jammern. Außerdem  soll ja in den kommenden Jahren die Trasse aufgefrischt werden. Dann wird Vollspeed von Krefeld sogar bis nach Venlo möglich sein. Die Details zum Schnellwegausbau müssen noch geklärt werden. Zukunftsmusik. Ich bin im hier und jetzt - mit meinem Beschleunigungsgerät aus Alu und ohne Elektronik.

Sicher gibt es verkehrsberuhigtere Strecken nach Kempen. Die B509 bietet einen großen Vorteil: die Direktverbindung ohne schnickschnack! Ich will auf schnellstem Wege zur Perle des Niederrheins. Ab in die Redaktion in der Altstadt. Noch sind es siebeneinhalb Kilometer. Ich liege gut in der Zeit, bin rechtzeitig aufgestanden. Auch, wenn ich komplett verschwitzt ankommen werde, das Fahrrad ist die beste Alternative. Das Tretlager knarzt ein bisken.

 Vor drei Jahren hab ich mir das Gefährt geleistet. In einem Outdoorgeschäft bin ich auf diese relativ günstige Variante gestoßen. 300 Euro hab ich damals für meinen treuen Begleiter bezahlt. 300 Euro für ein Rennrad? Zurecht kommt da Skepsis auf. Die Produktionsbedingungen dürften meinen heutigen Vorstellungen - ohne sie genau zu kennen - nicht genügen. Heute würde ich eher auf einen gebrauchten Qualitätsschlitten zurückgreifen, bei dem ich weiß, dass die Hersteller auf ihre Mitarbeiter achten. Aber das ist eine andere Geschichte. Mein Rennrad habe ich im Nachhinein mit plattensicheren Mänteln ausgestattet. Richtig gute Ware: Die waren fast so teuer wie das Rad selbst, übertrieben gesagt. Seither ist mir jedenfalls nicht mehr die Luft ausgegangen. Toi toi toi.

Der Fahrradweg am Haus Bellen vorbei ist bestens geteert. Hier fährt es sich geschmeidig, gelegentlich lass ich rollen, trinke einen Schluck aus der Hockeypulle mit extralangem Trinkhals. Hab die Flasche meinen Kindern stibitzt. Mit ausreichend Flüssigkeit und Freude kann ich Kempen schon riechen. Leider muss ich feststellen, dass der Königshütte-See stark umzäunt ist. Ich hatte mir schon ausgemalt nach Feierabend eine Runde schwimmen zu gehen.

Teil zwei folgt nächsten Samstag.

Pendeln Sie auch mit dem Fahrrad und haben Lust ihre Erfahrungen zu teilen? Kennen Sie geheime Strecken? Oder überlegen sie vom Autositz auf Sattel umzusteigen? Das Fahrradfahren verbindet. Ich würde mich freuen, wenn sie mir schreiben und wir uns austauschen.