Frohe Kunde – oder Rohrkrepierer Fangen die NRW-Schulen bald erst um 9 Uhr an?
DÜSSELDORF · Die Landesregierung plant, dass Schulen auch um 9 Uhr mit dem Unterricht beginnen können. Jetzt läuft eine Debatte, die die Schulministerin Feller das erste Mal unter Druck setzt.
Es steht im neuen Koalitionsvertrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Und im Interview mit der „Rheinischen Post“ hat die neue Schulministerin Dorothee Feller (CDU) auch gleich noch bestätigt, eine neue Idee für die nordrhein-westfälische Schulpolitik umsetzen zu wollen: Seither diskutiert das Land über die Frage, ob NRW-Schulen künftig auch deutlich später in den Tag starten können als bisher. „Wir haben im Zukunftsvertrag festgehalten, dass wir die Eigenverantwortung der Schulen grundsätzlich stärken wollen. Dazu gehört auch, dass wir ihnen die Möglichkeit geben wollen, den Schulbeginn auf bis zu neun Uhr festzulegen“, sagte Feller in besagtem Interview. Bislang regelt ein Runderlass, dass der Unterricht zwischen halb acht und halb neun Uhr morgens beginnen muss.
Ob die Schulen auf diese neue Freiheit, die ihnen zuletzt für eine bessere Verteilung von Schülerinnen und Schülern auf dem weg in die Schule in der Coronapandemie zugestanden worden war, dauerhaft eingehen wollen, ist aber offen. Denn alles, was daran hängt, ist gewichtig: die Arbeitszeiten der Eltern, die so gegebenenfalls erst später im Büro sein könnten. Der neu zu regelnde Schulverkehr. Auch Problematiken für schulübergreifende Kooperationen etwa – und das sind nur drei Beispiele.
„Ein späterer Unterrichtsbeginn kann zwar zunächst reizvoll sein, allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese Frage in der Regel die gesamte Schulgemeinschaft und auch den Schulträger betrifft. Es ist wichtig, die Schulkonferenz einzubeziehen“, sagt Stefan Behlau, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW. Wohlgemerkt hat das auch die Ministerin im Blick, die dieser Zeitung gegenüber ein wenig Schärfe aus der Diskussion zu nehmen gewillt war. „Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, den Schulen perspektivisch einen Schulbeginn bis spätestens 9 Uhr zu ermöglichen. Die Voraussetzungen hierfür werden im Schulministerium zu prüfen sein. Klar ist: Die Entscheidung über einen späteren Schulstart muss im größtmöglichen Einvernehmen aller vor Ort am Schulleben Beteiligten durch die Schulkonferenz getroffen werden“, hieß es aus dem Schulministerium. Und: „Dabei sind etwa schulorganisatorische Fragen genauso zu berücksichtigen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Ist das schon ein Rückzieher oder der Beginn einer Debatte? Klar ist: Wissenschaftliche Studien schreien geradezu nach einem späteren Schulstart, weil junge Menschen so ausgeruhter und ihrer Biorhythmik gemäß in der Schule starten könnten. Tenor: Ein Gewinn für die Konzentrationsfähigkeit aller Beteiligten.
Behlau gibt derweil zu bedenken, dass „gerade Schulen im ländlichen Bereich ihre Anfangszeiten eng mit benachbarten Schulen abstimmen und mit den regionalen Verkehrsbetrieben absprechen müssen, die nicht nur die Schulbusse, sondern in der Regel auch die Linienfahrpläne auf die Schulen abgestimmt haben“. Auch werde es bei den Eltern um die Frage der Betreuung gehen – gerade bei jüngeren Kindern. „Dies betrifft im Übrigen auch die Lehrkräfte und das pädagogische Personal“, so Behlau, der für individuelle Lösungen für die einzelnen Schulgemeinschaften wirbt. Tatsächlich will Feller wohl nichts anderes. Aber ein Zeitplan, so verriet die Ministerin gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, liege dafür nicht vor. Sicher ist: Wie sehr aus Ideen Lösungen werden, daran wird die neue Schulministerin schon bald gemessen werden.