Fliegerbombe wird in Paderborn entschärft - „Es geht um ihr Leben“

In einem Garten mitten in Paderborn ist ein riesiger Weltkriegsblindgänger entdeckt worden. Bevor die Kampfmittelräumer die Bombe entschärfen können, müssen weite Teile der Stadt geräumt werden - eine logistische Herausforderung.

Ein 1,8 Tonnen schwerer britischer Blindgänger war bei Gartenbauarbeiten nur 80 Zentimeter unter der Erdoberfläche gefunden worden. Für die Entschärfung müssen die mehr als 26.000 Anwohner in einem eineinhalb Kilometer großen Radius um den Fundort nahe der Universität ihre Häuser verlassen.

Foto: Friso Gentsch

Paderborn. Seit Familie Werth aus Paderborn ihren Garten umgraben ließ, herrscht helle Aufregung in Paderborn. Nur 80 Zentimeter unter der Erdoberfläche, mitten in einer innenstadtnahen Wohnsiedlung, liegt eine britische Weltkriegsbombe des Typs HC 4000 - 1,8 Tonnen schwer mit 1,5 Tonnen Sprengstoff gefüllt, zwei Meter lang 76 Zentimeter Durchmesser, drei Kopfzünder, enormes zerstörerisches Potenzial.

„Wir dachten alle erst, es wäre ein Gastank“, berichtet Vater Stefan Werth. Bei Gartenbauarbeiten waren die Mitarbeiter vor eineinhalb Wochen auf den rostigen Stahlkörper gestoßen. Doch das Geräusch, das erklang, als jemand mit einem Hammer gegen die Mine schlug, klang so gar nicht hohl, wie erwartet, sondern verdächtig dumpf nach Bombe, berichtet Stefan Werth. Er googelte und stieß im Internet auf Fotos von großen Fliegerbomben, die ihn erahnen ließen: „Sowas könnte in deinem Garten liegen.“

Würden die 1,5 Tonnen Sprengstoff der Luftmine im Garten der Werths explodieren, wäre die Druckwelle gigantisch. Bevor der Kampfmittelräumdienst den riesigen Blindgänger unschädlich machen kann, steht Paderborn am Sonntag deswegen die größte Evakuierungsaktion der Stadtgeschichte bevor. „Die Bombe liegt sehr zentral und weil das gesperrte Gebiet so groß ist, steht am Sonntag ab 12.00 Uhr die Stadt mehr oder weniger still“, sagt Jens Reinhardt, Sprecher des Krisenstabs.

Mehr als 26 000 Menschen sollen bis dann ihre Häuser verlassen. Im Sperrgebiet liegen vier Krankenhäuser, mehrere Altenheime, Teile der historischen Altstadt. 1100 Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Technischem Hilfswerk sind zusammengezogen worden, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Etwa 500 Patienten werden in andere Kliniken der Region verlegt. Der Bahnverkehr wird zeitweise ruhen. Die örtliche Polizei wird von Einsatzhundertschaften aus Bochum und Münster unterstützt.

Das Stadion des Fußball-Drittligisten SC Paderborn steht den betroffenen Bürgern als eine von drei Sammelstellen zur Verfügung, außerdem finden sie in einer Turnhalle und auf dem großen Schützenplatz der Stadt ein Dach über dem Kopf. Die Hilfsbereitschaft jener, die nicht direkt betroffen sind, sei riesig, berichtet Reinhardt. Wie alle anderen, hofft auch er auf die Kooperation der Bürger.

„Es geht - so pathetisch es klingen mag - tatsächlich auch um Ihr Leben!“, twitterten die Kampfmittelräumer der Bezirksregierung Arnsberg vorab ihren Appell, sich an alle Absperrmaßnahmen zu halten. Allein wegen der Druckwelle, die durch eine Explosion entstehe, sei die Bombe für Menschen sehr gefährlich: Verletzungen durch Trümmer der Dächer und Fenster seien das eine, „aber die meisten Verletzungen beim Menschen durch solche Luftminen ergeben sich durch Risse in der Lunge“. In einem Radius von 1,5 Kilometern um den Fundort herum, werden die Menschen sicherheitshalber ihre Häuser verlassen müssen.

Weltkriegsbombe wird in Paderborn entschärft
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Mittendrin, in direkter Nähe zur Bombe im Garten, bangt Familie Werth, dass alles gut geht. Er habe sein Haus vor neun Jahren kernsaniert, viel Liebe und Arbeit in sein Eigenheim gesteckt. „Jetzt rückt der Zeitpunkt näher, dass man drüber nachdenken muss, dass das Ganze auch nicht gutgehen kann“, gibt er zu bedenken. Was, wenn eine Notsprengung erforderlich wird, der Zünder den Profis Probleme macht?

Seit er vor eineinhalb Wochen jäh realisierte, dass er seit Jahren buchstäblich auf einem Pulverfass sitzt, hat er viel gelesen und recherchiert über Kampfmittel und Entschärfungsaktionen der Vergangenheit. Auch wenn von der Bombe keine akute Gefahr ausgehe, mache der Rat der Behörden, die wichtigsten persönlichen Dokumente mitzunehmen, doch deutlich, wie ernst die Lage sei, ergänzt seine Frau.

Die Kampfmittelräumer aber geben sich absolut zuversichtlich, dass alles routinemäßig ablaufen und sich die Bombe problemlos entschärfen lasse. In den letzten fünf Jahren musste das Team bereits einige Bomben desselben Typs entschärfen und nie sei es zu Komplikationen gekommen, so die Experten. dpa