Klima-Aktivist Kartoffelbrei auf Preisträgerfoto – das Urteil

DÜSSELDORF · Der Krefelder Fotografin Barbara Schnell gelang ein sehr besonderes Bild. Doch der darauf Abgebildete unternahm seine ganz eigene „Kunstaktion“.

Aktivist Winfried Bernhard kniet vor dem Schaufelrad eines Braunkohlebaggers am Tagebau Garzweiler.

Foto: epd/Barbara Schnell

Ein Mann beschmiert ein Bild, auf dem er selbst zu sehen ist, mit Kartoffelbrei. Er soll dafür bestraft werden. Wegen Sachbeschädigung. In diesem bizarren Fall hat das Amtsgericht Düsseldorf nach einer nicht minder bizarren Verhandlung am Mittwoch das Urteil gesprochen.

Das Bild, um das es geht, ist beeindruckend. Die Krefelder Fotografin Barbara Schnell hat es geschossen, veröffentlicht wurde es zuerst in der „Frankfurter Rundschau“. Und dann wurde es zum „NRW-Pressefoto des Jahres“ gekürt. In einem von Landtagspräsident André Kuper ins Leben gerufenen Wettbewerb. Schnells Foto zeigt den heute 58-jährigen Klimaaktivisten Winfried Bernhard, der bei einer Demonstration an der Abbruchkante des Braunkohletagebaus Garzweiler vor einem riesigen Braunkohlebagger kniet. David gegen Goliath sozusagen.

„Unbeirrbar“ nennt Fotografin Schnell ihr Bild – und meint damit beide Seiten: den Abbau der Kohle und den Protest der Bewegung. Die Jury urteilte: „Das Siegerbild bringt die Auseinandersetzungen um die Energiepolitik in beeindruckender Weise auf den Punkt. Ihr Bild zeigt den Protest eines Einzelnen gegen einen übermächtigen Gegner. Mensch gegen Maschine. Allein gegen den Riesen.“

Kunstaktion, Sachbeschädigung, oder keins von beidem?

Ein Abzug des Fotos wurde im Düsseldorfer Landtag ausgestellt. Doch dem darauf von hinten zu sehenden Winfried Bernhard passte das nicht: „Das geschah ohne meine Zustimmung. Und dies zeitgleich mit der Zerstörung von Lützerath. Das war und ist ein für mich unerträgliches Greenwashing, das ich nicht mit mir und meinem Bild machen lasse.“ Und er schritt zur Tat: In einer von ihm selbst als Kunstaktion bezeichneten Handlung beschmierte er es im Landtag mit Kartoffelbrei. Was er Kunstaktion nennt, nannte die Staatsanwaltschaft Sachbeschädigung.

Winfried Bernhard hinter der zum „Büchertisch“ umfunktionierten Anklagebank.

Foto: Peter Kurz

Am ersten Prozesstag Mitte November vor dem Düsseldorfer Amtsgericht wurde noch spekuliert, ob das Foto an einer Ecke wellig geworden war und damit ein Schaden von 61,76 Euro (Druckkosten) entstanden sei. Ob es so war, konnte nicht festgestellt werden. Also forderte das Gericht das Corpus Delicti als Beweismittel an, um es an einem weiteren Verhandlungstag zu begutachten. Das war der gestrige Mittwoch.

Richter Timo Gehrling ist weitaus gelassener als es manch einer seiner Kollegen wohl wäre. Er lässt es zu, dass der Angeklagte den Tisch vor sich zu einem Büchertisch umgestaltet - mit Bildern und Plakaten zum Thema Klimazerstörung. Und er lässt es auch geschehen, dass die Zuschauer nach einem Statement des Angeklagten zu eben jenem Thema applaudieren. In einer an die Prozessbeobachter verteilten Presseerklärung schwingt Bernhard sich selbst zum Ankläger auf: „Ich klage nun meinerseits an…Ich erwarte, dass unsere Steuergelder genutzt werden, alle Kräfte und die Intelligenz hoch bezahlter Juristen einzusetzen, den Weg für die Postwachstums-Ökonomie zu ebnen und alles zu tun, das post-fossile Zeitalter einzuleiten.“

Doch hier und heute im Gericht geht es darum, ob das Foto beschädigt ist oder nicht - nur dann läge eine strafbare Sachbeschädigung vor. Richter Gehrling nimmt das in Folie verpackte Bild, es misst etwa 80 mal 60 Zentimeter. Er packt es vorsichtig aus. Währenddessen redet der Angeklagte unaufhörlich auf ihn ein, sagt, dass er noch weitere Anträge stellen wolle. „Ja, ja, erst mal ist Weihnachten“, so die trockene Antwort des Richters. Nun begutachtet er es von allen Seiten, stellt ganz leichte Putz-Schlierenspuren fest. Diese rühren offenbar daher, dass der Angeklagte selbst noch am Tatort im Landtag den Kartoffelbrei wieder abgeputzt hatte. Die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage behauptete leichte Wellung des Fotos kann Richter Gerling aber nicht feststellen.

Da sieht auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft ein, dass der Vorwurf der Sachbeschädigung nicht zu halten ist. Und der Richter urteilt: Freispruch. Der ist zwar im Interesse des Angeklagten, doch ihm geht es um die Sache, um Klimaschutz und Umweltzerstörung.

„Warum kann er dem Bild nicht einfach die Würde lassen“

Darum geht es auch der Fotografin Barbara Schnell. Doch sie kann ganz und gar nicht nachvollziehen, dass Bernhard dem Landtag mit der Preisverleihung Heuchelei vorgeworfen habe. „Was der Landtag macht, ist das genaue Gegenteil.“ Er schaffe doch erst die Logistik für den Wettbewerb, bei dem nicht nur ihr Foto und das Klima-Thema, sondern auch andere Bilder gewürdigt werden. Schnell sagt mit Blick auf den nun freigesprochenen Bernhard: „Ich verstehe nicht, warum er diesem Bild und der Situation nicht einfach die Würde lassen kann.“