Sprengungen Warum Geldautomaten Angst machen können
DÜSSELDORF · Immer häufiger kommt es zu Sprengungen durch Kriminelle mit großen Sachschäden – auch Menschen können gefährdet sein.
Auf den ersten Blick sehen die Zahlen aus wie eine Entwarnung: Wurden im Jahr 2020 in Nordrhein-Westfalen noch 176 Geldautomaten aufgesprengt, waren es im vergangenen Jahr „nur“ noch 152. Aber: die Zahl geht in diesem Jahr steil nach oben, seit Januar waren es bereits 38 Fälle. Anlass genug für deutliche Worte, die NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag bei Vorstellung der Kriminalstatistik für das Thema fand: Das sei eine gigantische Steigerung in diesem Jahr. „Ich habe die große Sorge, dass es nicht immer bei Materialschäden bleiben wird. Noch ist niemandem etwas passiert. Aber die, die da unterwegs sind, nehmen null Rücksicht. Nicht mal auf ihr eigenes Leben, wenn sie wegrasen.“
Er meint damit die vorwiegend aus den Niederlanden einreisenden Täter, die nach ihren notgedrungen lautstarken und aufsehenerregenden Taten mit PS-starken Wagen vom Tatort fliehen. Und schon zuvor durchaus Menschenleben gefährden. Das liegt daran, dass die Täter mittlerweile ihre „Sprengtechnik“ geändert haben. In der Vergangenheit wurden die Explosionen häufig mit einem Gasgemisch ausgelöst. Die Banken rüsteten aber teilweise technisch auf: Sie nutzen Mittel, die dieses Gas neutralisieren und die Explosion verhindern.
Aufrüstung durch Banken
erhöht am Ende das Risiko
Was wie ein gelungener Abwehrversuch schien, führt mittlerweile jedoch zu einer Eskalation der Gefährdung. Die Täter nutzen nun öfter Festsprengstoff. Die Wucht der Explosion trifft dabei nicht nur den Geldautomaten. Glasfronten und Mauerteile des Gebäudes gehen zu Bruch. Die Polizei berichtete auch von einem Fall, in dem direkt hinter dem Service-Point einer Sparkasse ein Kinderzimmer lag. „Es ist ein Wunder, dass bei den regelmäßig weit umherfliegenden Splittern, Metallteilen und Fassadenbrocken bislang noch nicht mehr passiert ist“, so ein Ermittler. „Das Ganze wird immer unkalkulierbarer.“
Eben weil das so ist, hat der NRW-Innenminister die Kreditinstitute zu einem Bankengipfel in sein Ministerium eingeladen. Welche Vorschläge oder Forderungen er diesen stellt beziehungsweise welche Ideen er von Bankenseite erwartet, wollte er am Montag bei der Pressekonferenz zur Kriminalstatistik noch nicht sagen. Angesichts der Anzahl von 11 000 der bundesweit 30 000 Geldautomaten, die sich allein in Nordrhein-Westfalen befinden, sei es jedenfalls nicht möglich, nachts neben jeden dieser Automaten einen Polizisten zu stellen. „Wir müssen einen anderen Weg gehen, den man aber klugerweise nicht öffentlich vorträgt“, sagte der Minister leicht geheimniskrämerisch.
Dabei gibt es bereits Ansätze, die auch für die Täter recht offensichtlich sind. So wurden auf Initiative der R+V-Versicherung, die Kreditinstitute gegen entsprechende Schäden absichert, frei stehende Schutz-Pavillons für die Geldautomaten entwickelt. Zehn Tonnen schwere ringförmige Gebilde aus bis zu 15 Zentimeter starkem Stahlbeton, die Sprengversuchen standhalten sollen. Und frei stehend mit ausreichend Sicherheitsabstand zu umliegenden Häusern platziert werden sollen.
Ratinger Wohnungseigentümer klagen gegen eine Bank
So etwas würde sich wohl auch eine Ratinger Wohnungseigentümergemeinschaft wünschen, deren Klage derzeit beim Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung liegt. Sie haben eine Bank verklagt, einen im Erdgeschoss ihres Hauses untergebrachten Geldautomaten abzubauen. Weil sie Angst haben, dass bei einer Sprengung sowohl das Haus als auch Personen zu Schaden kommen könnten.
In erster Instanz haben sie gegen die Bank verloren, weil die Teilungserklärung der Eigentümergemeinschaft den Betrieb einer Bankfiliale vorsieht und auch einen Geldautomaten erlaubt. Da dürfte auch das Oberlandesgericht, das über die Sache wohl im März entscheidet, nicht viel Spielraum haben. Wenn die Bank nicht doch noch ihrerseits Entgegenkommen zeigt, um den Miteigentümern des Hauses einen ruhigen Nachtschlaf zu sichern.