Grundsteuer Wer ist hier das Bürokratiemonster?
DÜSSELDORF · NRW-Finanzminister beantwortet Große Anfrage der Landtags-FDP zur Grundsteuer.
Wir kennen das aus der Kita oder Grundschule: „Du bist ein Blödmann.“ Antwort: „Selbst Blödmann.“ Aber auch in der Landespolitik funktioniert diese Holzhammer-Rhetorik noch: Ralf Witzel, Finanzexperte der FDP, sagt: Wie Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) die Neuberechnung der Grundsteuer gestalte, das erinnere ihn an Godzilla, das Filmmonster. Die Grundsteuerreform in NRW sei ein „schwarz-grünes Bürokratiemonster“. Darauf Olaf Lehne, finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion: „Das eigentliche Bürokratiemonster ist Herr Witzel selbst, der die Verwaltung mit einer Welle von Anfragen überrollt, obwohl sie alle wichtigen Antworten längst gegeben hat.“
Anlass für die Retourkutsche ist eine Große Anfrage der FDP, die der Finanzminister nun auf 70 Seiten beantwortet hat. Die FDP-Landtagsopposition weiß, dass sie mit jeder Offenlegung einer Schwäche im Verfahren punkten kann. Jeder und jede ist schließlich betroffen. Egal, ob Haus- oder Wohnungseigentümer oder auch Mieter, auf die die Grundsteuer ja per Nebenkostenabrechnung abgewälzt wird.
Abgabefrist für die Grundsteuererklärung war bereits Ende Januar 2023. Das Schimpfen über die Probleme beim Ausfüllen der Formulare ist längst verhallt - sollte man denken. Doch wie stark Unmut und Verunsicherung weiterhin sind, zeigt die hohe Zahl der Anrufe bei der Grundsteuer-Hotline. Noch immer sei es an Wochentagen eine vierstellige Zahl, sagt Witzel. Und noch immer fehlen rund acht Prozent der Erklärungen. Das sind mehr als 500.000 Fälle. Folge bei dieser Art von Verweigerung: Dann schätzt das Finanzamt den Wert des Grundstücks. Was eher zuungunsten des Grundstückseigentümers ausgehen dürfte.
Das Nichtstun in dieser Angelegenheit könnte jedenfalls auf längere Sicht noch weitere Nachteile mit sich bringen. Vorerst schreibt der Finanzminister allerdings in seiner Antwort auf die FDP-Anfrage: „Derzeit wird von den rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Erklärungspflicht mittels Zwangsmitteln oder zur Sanktionierung der verspäteten Abgabe mittels Verspätungszuschlägen abgesehen.“
Gerichte sind noch nicht
mit den Einwänden befasst
In NRW sind etwa 6,5 Millionen Grundstücke und Betriebe der Land- und Forstwirtschaft von der Grundsteuerreform betroffen. Für 92 Prozent wurden die Erklärungen mittlerweile abgegeben. Das heißt aber nicht, dass in diesen Fällen alles klar wäre. Nach den aktuellsten Zahlen gab es bis Ende August rund 1,1 Millionen Einsprüche. Entweder, weil der Steuerzahler eine realitätsferne Wertermittlung kritisiert. Oder sich ganz grundsätzlich gegen das in NRW gewählte Verfahren wendet. Zum Beispiel, weil es keine Möglichkeit gibt, per Sachverständigengutachten einen niedrigeren Wert des Grundstücks nachzuweisen. Oder weil das ganze Verfahren nicht nachvollziehbar und nicht transparent sei. Schließlich ist die in Euro und Cent festzusetzende Grundsteuer auch bei Kenntnis des im Bescheid ausgeworfenen Grundsteuerwerts und Grundsteuermessbetrags noch nicht nachvollziehbar.
Noch wurde über keinen der 1,1 Millionen Einsprüche entschieden. Die Folge: Es kann bislang auch keine Klage erhoben werden. Die Gerichte sind noch nicht mit dem Thema befasst. Und können daher gar nicht überprüfen, was dran ist an den Einwänden der Steuerzahler.
Aber irgendwann muss und wird es zu einer gerichtlichen Klärung kommen. Was aber passiert, falls die Gerichte dann das ganze Verfahren an wichtigen Stellen für nicht in Ordnung befinden? Wäre es politisch überhaupt haltbar, dass dann nur diejenigen profitieren, die sich mit einem Einspruch gegen den Steuerbescheid zur Wehr gesetzt haben? Was ist dann mit der großen Mehrzahl all derjenigen, die den Bescheid vielleicht ratlos, aber ohne Einspruch hingenommen haben? Die sich gewissermaßen zahm und staatshörig verhielten. Kann die Politik es sich erlauben, diese dann im Regen stehen zu lassen und sich auf die Bestandskraft dieser Steuerbescheide zu berufen?
Auf die entsprechenden Fragen antwortet FDP-Mann Ralf Witzel: „Ich würde erwarten, dass der Staat, wenn es gerichtliche Urteile gibt, diese faktisch für alle anwendet. Wir müssen aber feststellen, dass dies in anderen Fällen bislang nicht die Argumentation und Praxis des Finanzministers ist.“ Die Rechtslage sei nun mal so, wie sie ist. Und er, Witzel, könne nur jedem empfehlen, Einspruch einzulegen. Ein Rat, der den meisten freilich jetzt nicht mehr hilft, weil ihre vierwöchige Einspruchsfrist längst abgelaufen ist.
CDU-Landtagspolitiker Olaf Lehne verteidigt seinen Finanzminister jedenfalls, wenn er sagt: „Für mehr als 90 Prozent aller Grundstücke in Nordrhein-Westfalen liegen in den Finanzämtern die Erklärungen bereits vor. Das zeigt, dass die Finanzverwaltung gut vorbereitet war und Bürgerinnen und Bürger auf allen Kanälen bestmöglich unterstützt hat.“
Und Simon Rock, Sprecher für Haushalt und Finanzen der Grünen-Landtagsfraktion, spielt den Ball an die FDP zurück, wenn er an deren Regierungszeit in der schwarz-gelben Koalition erinnert: „Die FDP hatte bis 2022 mehr als genug Zeit, eine Alternative zum Bundesmodell in Nordrhein-Westfalen einzuführen und hat diese Chance nicht genutzt.“