Lesung Horrorgeschichten mit Devid Striesow
DÜSSELDORF · Horrorgeschichten, gelesen von Devid Striesow im Kunstpalast.
. Den alltäglichen weltpolitischen Horror für kurze Zeit zu vergessen, indem sie ihn durch den „Genuss“ literarischen Horrors überdecken – diesen Versuch unternahmen am Sonntagabend 800 Menschen im Düsseldorfer Kunstplaalst. Um ein wirklich gruseliges Gefühl aufkommen zu lassen, ist der vollbesetzte Robert-Schumann-Saal allerdings denn doch zu groß. Auch der in dunkelrot angestrahlte Bühnenvorhang und drei Kerzen auf dem Lesepult von Devid Striesow schaffen das nicht. Und doch: Die Texte, die der Schauspieler eindrucksvoll vorliest, haben schon das Zeug, zumindest die Härchen auf den Armen hochstehen zu lassen.
Striesows Warnung zu Beginn der Lesung hat es schon in sich: „Was hat Sie nur geritten“, fragt er? „Sie hätten auch zu Hause bleiben können und müssten nicht nachher durch die dunkle Nacht zurück.“
Mit einem Kapitel aus Stephen Kings „Es“ versetzt er dem Publikum schon die ersten Schauder. Und dann folgen Schlag auf Schlag Abschnitte und Geschichten aus Klassikern wie „Frankenstein“ von Mary Shelley, „Die Schwarze Katze“ von Edgar Allen Poe oder „American Psycho“ von Bret Easton Ellis. Mit kurzen geschichtlichen Einordnungen verbindet Striesow seine Auswahl. Und macht klar, dass Horror auch das ist, was viele der Zuhörer einst in ihrer Kindheit in einer Art Holzhammerpädagogik präsentiert bekommen haben. Die Geschichten von Heinrich Hoffmann im Struwwelpeter. Die gingen für Kinder, die die elterlichen Verbote überschritten, übelst aus. Striesow liest beispielhaft die Geschichte von dem mit Feuer spielenden Mädchen vor, von dem am Ende nur ein Häuflein Asche übrigbleibt. Ähnliche Disziplinierungen, diesmal für die ganze Gesellschaft, hält die Bibel bereit, aus der Striesow eines der vielen Beispiele zitiert.
Seine ganz eigene düstere Art zu erschrecken hatte Franz Kafka. Der Vorleser demonstriert Kafkas Bürokraten-Horror mit einer Passage aus „Der Prozess“. Doch er setzt, und das entspannt die Zuhörer sichtlich, auch humorige Kontrapunkte. Wenn er vom „Horror einer Kreuzfahrt“ aus einem wunderbaren Werk von David Foster Wallace zitiert. Und dann nimmt er uns mit in die Zeit der mittelalterlichen Medizin, in der das Operieren ohne Narkose funktionieren musste. Schwere Kost, die der Schauspieler da ungerührt zum Besten gibt. Mit einem „Betthupferl“ schickt Striesow die Menschen nach 90 Minuten Grusel auf den Nachhauseweg: „Silvester bei den Kannibalen“ von Ringelnatz. Herrlich. Wer sich übrigens selbst noch ein wenig abseits des Weltgeschehens gruseln möchte, hat dazu bis Januar Zeit. Bis dahin läuft im Düsseldorfer Kunstpalast noch die Ausstellung „Tod und Teufel“. Untertitel: Faszination des Horrors.