Düsseldorf Die Rückkehr des Creamcheese
DÜSSELDORF · Die legendäre Kunstkneipe Düsseldorfs wird jetzt im Kunstpalast rekonstruiert. Mit Hilfe von Günther Uecker und Heinz Mack. Ein Treffen vor Ort.
Dröhnende Rockmusik, flackernde Stroboskop-Lichter, LSD und Musik von Jimi Hendrix und Bob Dylan. „Alles diente zur Bewusstseins-Erweiterung“ schmunzelt Günther Uecker. Diesmal sitzt der 93jährige Künstler nicht in seinem Atelier, sondern im „Creamcheese“. Dem legendären Underground und Aktions-Club, den Uecker und Künstlerfreunde Heinz Mack, Ferdinand Kriwet und Gerhard Richter initiierten und 1967, in der Altstadt, nahe der Kunstakademie, eröffneten. Auf der Neubrückstraße, betrieben von Hans Joachim und Bim Reinert. Uecker lehnt an den Podest-Stufen, auf denen sich bis 1978 Maler, Bildhauer, Musiker und allerlei Kunst-Revoluzzer tummelten und mit reichlich Alkohol, Kunst und Drogen in Trance feierten. Sie fielen durch spektakuläre Kunstaktionen auf, die nicht selten die Staatsgewalt provozierten.
Wenn es das Creamcheese auch seit 45 Jahren nicht mehr gibt, so lagerten die Kunstwerke der Männer, die später durch ihre Werke weltberühmt werden sollten, im Kunstmuseum, heute Kunstpalast. Der Clou: Im Rahmen des Umbaus und der Großsanierung des Gebäude-Komplexes im Ehrenhof hat Museumsleiter Felix Krämer das sagenumwobene Lokal rekonstruieren lassen. Im obersten Geschoss. Mitsamt Ueckers Riesen-Nagel hinter Gittern, Gerhard Richters schmolligem Frauenakt „Pin up“ und weiteren Frühwerken heutiger Stars erlebt man die Wiederauferstehung der Kunstkneipe im Museum. Gebaut in enger Abstimmung unter anderem mit Uecker und Mack.
Noch gelangt man nur über eine steile, enge Wirtschafts-Treppe in die verspiegelte Creamcheese-Bar mit der damals längsten Theke Düsseldorfs: Erst ab November gehört die Experimentier-Bar zur Dauer-Ausstellung und ist für jedermann zu besuchen, freitags und samstags sollen sogar Getränke serviert werden. Noch bewegt man sich auf einer Baustelle auf Hochtouren. Staub, Sägen und Hämmern inklusive; denn in sieben Wochen soll der Kunstpalast im neuen Glanz erstrahlen.
Erstaunlich detailliert erinnert sich der betagte Uecker nicht nur an der Architektur, sondern auch daran, wie er Mitte der 1960er Jahre Frauen aus der Altstadt „abwarb“ und in die Kunstkneipe lockte. Kameras nahmen die Besucher auf und projizierten die Konterfeis direkt auf Bildschirme, die Uecker übereinander stapelte und in Regale installierte. „Auf den alten Bildschirmen liefen die Schwarz-Weiß-Bilder. So wurde jeder Gast ein Star,“ sagt Uecker. Das sprach sich schnell herum, ebenso wie die große Tanzfläche (sie wurde aus Platzgründen nicht rekonstruiert). „Wir haben getanzt und geschwitzt, besonders die Frauen,“ lächelt der durch seine Nagel-Bilder und Plastiken bekannte Künstler. Denn in den späten 60ern war Nylon der letzte Schrei. Blusen, Hemden, Hosen alles aus Kunststoff. Uecker: „Dadurch schwitzten wir noch mehr!“
Er selbst kam auf die Idee der Kunstkneipe, als er Mitte der 60er in New York Andy Warhol besuchte. „Wir waren in dessen Club „The Dom“. Es wurde getanzt, getrunken und experimentelle Kunst präsentiert. Und: „Dort habe ich zum ersten Mal LSD genommen. Das gehörte zur Bewusstseins-Erweiterungs-Trip,“ gibt Uecker unverblümt zu.
Klar, dass im Creamcheese auch CAN, die spätere Band Kraftwerk und der illustre US-Musikaktivist Frank Zappa (1940-1993) seine Spuren hinterließ. So bezieht sich der Name der Bar auf Suzy Creamcheese, die in Songs von Zappa auftaucht.