Interview James Taylor „Was die Welt braucht, ist weibliche Energie“

Der 74-Jährige gehört zu den großen Songwritern Amerikas. Vor seinem Konzert in Düsseldorf spricht er über männliche und weibliche Musik und Kolleginnen.

James Taylor wird in einem Atemzug mit Joni Mitchell oder Bob Dylan genannt. Am 2. Oktober singt er in Düsseldorf.

Foto: AP/Andrew Harnik

Der 74-jährige James Taylor ist neben Joni Mitchell, Carole King und Bob Dylan einer der größten noch lebenden amerikanischen Songwriter. Vor seinem Düsseldorfer Konzert sprachen wir mit ihm über seine Haltung zum Leben und zur Kunst.

Herr Taylor, obwohl Sie US-Amerikaner sind, begann Ihre Karriere im Jahr 1968 in London, wo sie mit den Beatles in den Abbey-Road-Studios herumhingen, Drogen nahmen und ein erstes, heute fast schon vergessenes Album aufnahmen. Konnten Sie sich damals auch nur ansatzweise vorstellen, mit 74 Jahren noch auf der Bühne zu stehen?

James Taylor: 
Ich hätte das nie gedacht. Aber meine Band, mein Publikum und das Touren sind die Freude meines Lebens. Ich werde immer dankbarer dafür, dass ich das tun kann und weiß auch, dass ich es irgendwann loslassen muss, wenn ich zu alt dafür werde. Aber erstmal bin ich sehr aufgeregt, wieder in Deutschland zu spielen – (spricht auf Deutsch weiter:) noch einmal die Leute dort treffen, meine Freunde.

Sie sprechen ja Deutsch!


Taylor: Ja, ein bisschen, weil… mein Vater hat Deutsch sprechen. Wie sagt man das?

Mein Vater hat Deutsch gesprochen.


Taylor: Okay. Meine Grammatik und mein Vokabular sind nicht sehr gut, aber ich habe es in der Schule gelernt und liebe die Sprache. Einige Menschen denken, dass Deutsch hart klingt verglichen mit Portugiesisch oder Französisch. Aber ich finde es melodisch und rhythmisch. Ich würde es gerne fließend sprechen. Es muss wundervoll sein, Thomas Mann auf Deutsch zu lesen, und ich bin dabei, es weiter zu studieren. Was sind denn die wichtigen deutschen Autoren, die man lesen sollte?

Man führt natürlich immer Goethe und Schiller an, aber ich würde Ihnen den „Nachsommer“ von Adalbert Stifter empfehlen. Nietzsche zählte es zu den größten Werken in deutscher Sprache, und ich stimme zu.


Taylor: Das ist ein guter Tipp, ich notiere es!

Wie werden Sie in Deutschland auftreten?


Taylor: Auch deshalb bin ich aufgeregt: Normalerweise habe ich eine große Band dabei, mit Bläsern, Chor, Perkussionisten, aber dieses Mal komme ich nur mit meinem Schlagzeuger Steve Gadd, Bassist Jimmy Johnson und dem Gitarristen Michael Landau, der in Europa als Jazzmusiker bekannt ist. Ich bin sehr gespannt, wohin diese Besetzung die Musik treiben wird. Meine ersten Songs schrieb ich nur an der Gitarre, und sie funktionierten dann gut mit einer kleinen Band, aber später arbeitete ich für größere Besetzungen. Es wird an den Abenden eine Mischung aus den Stücken meiner ersten Alben wie „Sweet Baby James“ oder „Mud Slide Slim“ geben, aber auch neue Arrangements späterer Songs und Titel vom aktuellen Album „Standards“.

Für mich verströmen Ihre Songs eine freundliche, positive Stimmung, selbst wenn sie von Selbstmord und dunklen Phasen handeln wie „Fire and Rain“. Sind Sie ein optimistischer Charakter?


Taylor: Nein, das würde ich nicht sagen. Und vielleicht suche ich genau deswegen nach dieser Art Entlastung oder Befreiung. Manchmal kann Musik das schaffen, eine schlimme Situation zu verbessern. Manchmal ist sie einfach da, um etwas zu feiern, manchmal ist sie wütend oder politisch. Aber die Songs, für die ich bekannt bin, habe ich geschrieben, um mich besser zu fühlen – zum Beispiel „Don’t Let Me Be Lonely Tonight“ oder „Fire and Rain“ oder „You’ve Got A Friend“.

Carole King, Joni Mitchell und Sie zählen zu den wichtigsten noch lebenden Songwritern. Glauben Sie, Sie hatten großen Einfluss auf die nachfolgenden Generationen?


Taylor: Manchmal denke ich das, wenn ich Musik höre, aber eigentlich glaube ich, ich habe überhaupt nichts erfunden. Ich habe bloß aufgenommen, was Menschen vor mir getan haben und es in meinen Weg integriert. Deshalb würde ich nicht wirklich sagen: Das ist meine Musik. Es ist nur meine Art, Einflüsse zu kanalisieren. Meine Lieblings-Songwriter sind Rodgers und Hammerstein, Cole Porter, Johnny Mercer – die großen Broadway-Komponisten. Meine Generation sprang mit diesem Gepäck auf den Zug der Schwarzen Musik auf, die Tradition von Rhythm’n’Blues und seine fantastische Energie. Für mich waren außerdem die brasilianischen Komponisten wie Antônio Carlos Jobim wichtig. Ihre Musik war komplexer, auch eleganter, für mich hochinteressant. Ich verdanke ihnen sehr viel.

Wenn ich Sie zusammen denke mit Joni Mitchell und Carole King – kann man sagen, da ist weibliche Energie in Ihrem Songwriting?


Taylor: Mir gefällt der Gedanke, und ich glaube zu verstehen, was Sie mit dieser Energie meinen. Obwohl ich eigentlich denke, das Musik nicht viel mit Geschlechtergrenzen zu tun hat. Natürlich sind da ein paar Stile wie Heavy Metal oder ähnliches, die ich als eher maskulin beschreiben würde. Brasilianische Musik zum Beispiel zieht sicher sowohl Männer als auch Frauen an. Sie hat nicht viel zu tun mit Machismo, mehr mit Seele, Gefühl und Sensibilität. Ich meine, gelegentlich habe ich auch mal einen Macho-Song geschrieben, denken Sie an „Steamroller“… aber die Haltung dahinter ist immer ironisch, mehr ein Scherz darüber. Ich glaube wirklich, was die Welt jetzt braucht, ist weibliche Energie. Wir hatten genug von diesem männlichen „Sport“, der diesen Ort zerstört. Ich bin definitiv ein Feminist! Ich denke, wir haben wirklich nichts zu verlieren.