Neue Beigeordnete in Düsseldorf „Kein Bürger soll auf der Strecke bleiben“

Interview | Düsseldorf · Die neue Dezernentin für Sport und Bürgerservices spricht über ihren Start – und die Zukunft der Bürgerbüros

Britta Zur ist seit Anfang August Dezernentin für Sport und Bürgerservices in Düsseldorf. Sie sagt: Die Bürgerbüros arbeiten auf einem hogen Niveau, sollen aber noch besser werden.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Sie ist in Düsseldorf schon lange bekannt, obwohl sie seit nicht einmal zwei Monaten ihre Position in der Verwaltungsspitze innehat: Britta Zur ist seit 1. August Dezernentin für Sport und Bürgerservices. Vorher hatte sich die Juristin bereits als Staatsanwältin einen Namen in der Stadt gemacht. Von hier ging sie 2020 als Polizeipräsidentin nach Gelsenkirchen.

Wie sehr genießen Sie es, nicht mehr jeden Tag ins Ruhrgebiet zu pendeln?

Britta Zur: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits habe ich meine Zeit in Gelsenkirchen und bei der Polizei als etwas sehr Besonderes empfunden, das werde ich immer in meinem Herzen tragen. Daher war der Abschied dort ein trauriger. Aber es ist natürlich trotzdem toll, jetzt kurze Wege zur Arbeit zu haben, mit dem Auto, dem Fahrrad oder dem E-Roller. Meine Lebensqualität steigt dadurch – auch deshalb, weil ich meine Kontakte hier in Düsseldorf wieder besser pflegen kann.

Das war aber nicht Ihr Haupt-Argument für den Wechsel.

Zur: Natürlich nicht. Ich bin zur Stadt Düsseldorf gewechselt, weil dies meine Heimat ist und ich hier etwas bewegen und gestalten möchte. Hier bin ich mit ganzer Seele dabei. Entsprechend glücklich bin ich, dass ich diese Chance jetzt bekomme; es ist eine große Ehre für mich. Für keine andere Stadt hätte ich die Polizei verlassen.

Nun ist eine Polizeibehörde auch eine Behörde – wie groß ist denn der Kulturschock im Rathaus?

Zur: Ich habe ja immer im Öffentlichen Dienst gearbeitet und war immer Beamtin. Ich bin daran gewöhnt, dass die Dinge bei Behörden komplex sein können, und kenne viele Abläufe. Vieles ist aber natürlich auch anders; entsprechend lerne ich gerade sehr viel darüber, welches Rädchen ich in Bewegung setzen muss, damit sich wiederum ein anderes in Bewegung setzt.

Ihr Wechsel war mit vielen Vorschusslorbeeren garniert. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?

Zur: Ich denke, es war ein Vorteil. Es ist für mich schön, dass meine Arbeit von vielen Menschen in Düsseldorf wertgeschätzt wurde, auch wenn ich in Gelsenkirchen tätig war. Natürlich hilft es auch, viele Menschen schon zu kennen und sich nicht überall ganz neu vorstellen zu müssen. Es reicht ja, dass die Themen neu sind.

Die Themen Ihres Dezernates – Sport und Bürgerservices – haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun. Konnten Sie schon Synergien ausmachen?

Zur: Beide Bereiche sind stark dadurch geprägt, dass sie ganz nah an den Bürgern sind. Das mag ich auch sehr daran. In beiden Bereichen können wir Dinge tun, die sofort bei den Menschen in Düsseldorf ankommen.

Beim Thema Bürgerservices fallen einem als erstes die Probleme bei den Reisepässen ein, die in den vergangenen Monaten Schlagzeilen gemacht haben. Wie ist die Lage gerade?

Zur: Die Zahl der Beschwerden ist im Verhältnis zur Zahl der Vorgänge insgesamt eigentlich sehr gering. Es gibt aber seit Jahren immer wieder Spitzen in den Ferienzeiten – und die wurden in diesem Fall sehr dadurch befeuert, dass die Menschen nach der Corona-Zeit ein besonderes Nachholbedürfnis beim Reisen hatten. Ich gehe davon aus, dass die Abläufe langfristig noch besser werden – dafür bin ich angetreten.

Viele ältere Bürger beklagen, dass die Möglichkeit fehlt, spontan ins Bürgerbüro zu gehen – besonders, wenn man keinen Online-Zugang hat. Müssen die sich damit abfinden?

Zur: Eine Herausforderung für uns liegt darin, dass wir uns digital möglichst modern aufstellen und gleichzeitig die analogen Möglichkeiten für die aufrechterhalten, die das nicht nutzen wollen oder können. Kein Bürger soll auf der Strecke bleiben. Wie genau wir das im einzelnen organisieren, kann ich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht sagen. Der Oberbürgermeister hat den Ball klar in unser Feld gespielt. Wir haben ihn gerne aufgenommen und arbeiten jetzt daran. Die Bürgerbüros werden besser werden.

Der Erfolg Ihrer Arbeit hängt eng mit der Digitalisierung in der Verwaltung zusammen. Haben Sie eine Standleitung mit Ihrem zuständigen Dezernenten-Kollegen Michael Rauterkus?

Zur: Wir werden mit dem Dezernat 04 engen Austausch pflegen, das ist klar. Unser Aufgabengebiete ragen an vielen Stellen ineinander. Wir müssen in meinem Dezernat herausfinden und entscheiden, was geändert werden soll – umsetzen können wir das aber nur mit Hilfe der Kollegen. Ich habe aber übrigens auch eine tolle Referentin, die sich hervorragend auskennt mit den Digitalisierungsthemen und über perfekte Vernetzung verfügt. Auch das ist ein großer Vorteil

Ist die Personalnot in den Bürgerbüros groß?

Zur: Luft nach oben gibt es immer, aber es gibt sicherlich Bereiche, in denen es problematischer aussieht. Wir bewegen uns in einem vernünftigen Bereich. In der Pandemie haben viele Mitarbeiter auch die Sicherheit des öffentlichen Dienstes schätzen gelernt. Und in der jetzigen Phase stellen wir uns im Hinblick auf modernes Arbeiten und flexiblere Modelle gerade insgesamt neu auf.

Ist Düsseldorf aktuell im Vergleich mit anderen eine bürgerfreundliche Stadt?

Zur: Aus Sicht einer langjährigen Düsseldorfer Bürgerin kann ich sagen, dass ich immer einen sehr guten Bürgerservice erlebt habe. Düsseldorf bewegt sich hier auf einem sehr hohen Niveau. Damit will ich aber nicht sagen, dass wir nicht noch besser werden und dazulernen wollen.

Haben Sie schon eine Ahnung, was die größte Herausforderung in der Verwaltung wird?

Zur: Viele Herausforderungen werden in den Bürgerbüros und im Standesamt liegen. Das Standesamt ist ein deutlich komplexeres Feld, als man gemeinhin meinen könnte, und die Arbeit dort ist vielfältiger geworden. In Düsseldorf leben Menschen aus vielen Ländern mit komplexen Biographien; wir bekommen Heirats- und Scheidungsurkunden von dort, deren Gültigkeit geprüft werden muss – dahinter stecken komplexe juristische Sachverhalte, die aufwendig geprüft werden. Auch das Namensrecht muss man international betrachten.

Kommen wir zu Ihrem Aufgabengebiet Sport. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Debatten um die Wasserzeiten von Schwimmschulen. Warum ist dieses Thema so schwierig?

Zur: Die Corona-Pandemie hat das Problem verschärft, weil viele Kinder nicht schwimmen lernen konnten, weil zeitweise die Bäder geschlossen oder nur eingeschränkt geöffnet waren. Deswegen drängen in die Kurse jetzt nicht nur die üblichen Altersgruppen, sondern auch ältere Kinder, die normalerweise schon schwimmen gelernt hätten. Entsprechend ist die Nachfrage größer als das Platzangebot. Dazu kamen Renovierungsarbeiten und zeitweise auch einige Schließungen von Bädern.

Ist Düsseldorf bei Sportstätten insgesamt gut aufgestellt?

Zur: Ein pauschales Urteil dazu wäre sicherlich falsch, zumal die Situation nicht überall gleich ist. Man kann aber sagen, dass Düsseldorf als Sportstadt allgemein über eine gute Ausstattung und ein wirklich tolles Angebot verfügt – man kann hier im Grunde auch jeden Sport ausüben, und auch die Nachwuchsförderung ist toll aufgestellt. Düsseldorf ist Sportstadt und will das auch bleiben.

Müssen Sie beliebte Freizeitangebote wie „Sport im Park“ oder „Laufen unter Flutlicht“ angesichts der aktuellen Haushaltslage auf den Prüfstand stellen?

Zur: Diese Dinge werden von den Bürgern sehr gut angenommen, daher möchte ich daran nichts ändern, wenn es irgendwie geht. Sport im Park ist auch von den Kosten her überschaubar und braucht nicht viel Technik – wenn es zeitlich passen würde, würde ich übrigens auch selbst gerne mal mitmachen, weil ich von dem Angebot sehr überzeugt bin. Laufen unter Flutlicht ist angesichts der Energiedebatte vielleicht etwas anderes, aber wir sind ja auch dabei, die Stadien mit LED auszustatten.

2023 finden die Invictus Games in Düsseldorf statt. Was bedeutet das für die Stadt?

Zur: Die Stadt zeigt, dass es beim Sport nicht immer nur um den Wettkampf geht, sondern auch darum, Menschen zu verbinden und Identität zu stiften. Die Invictus Games geben den Teilnehmern Selbstbewusstsein und Lebensqualität zurück. Düsseldorf rückt mit den Spielen Menschen in den Fokus, die sich in besonderer Weise verdient gemacht haben. Ich wünsche mir sehr, dass viele Zuschauer dorthin gehen – auch als Zeichen des Respekts und der Anerkennung.

Düsseldorf hat ebenso viele weibliche wie männliche Dezernenten. Werden Sie sich hier für das Thema Frauen in Führungspositionen weiter einsetzen?

Zur: Natürlich ist es erfreulich, dass das in der Verwaltungsspitze so ist. Aber es ist klar, dass wir weiterhin über dieses Thema reden müssen, weil es noch nicht selbstverständlich ist. Ich versuche immer wieder, junge Frauen dazu zu motivieren, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es ist nämlich noch immer so, dass sie sich oftmals weniger zutrauen als Männer.

Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt einen weiblichen Führungsstil?

Zur: Frauen sind ebenso wenig alle gleich wie Männer, pauschal kann man da wenig sagen. Ein häufiges Merkmal ist aber, dass Frauen oft reflektierter sind und sich als Führungskräfte mehr hinterfragen. Männer neigen im Vergleich eher dazu, Fehler bei anderen zu suchen – natürlich auch nicht alle.

War die Polizei beim Thema weibliche Führungskräfte eine harte Schule?

Zur: Ja. Man darf nicht vergessen, dass es erst seit Anfang der 80er-Jahre überhaupt Frauen im Polizei-Vollzugsdienst gibt. Vorher waren sie dort nur als Schreibkräfte oder Sekretärinnen. In meiner Amtszeit als Polizeipräsidentin habe ich nur eine einzige weibliche Polizeibeamtin in den Ruhestand verabschiedet, und es gibt dort bis heute wenige Frauen in Führung. Das wird besser, aber da ist auch noch viel zu tun.