Glück bei Unfall Ein Müllmann mit Schutzengel
Kaarst. · Um ein Haar wäre Fatih Mehmet Borucu von einer Müllpresse zerdrückt worden.
Eigentlich war es gar nicht seine Tour. Ausnahmsweise fuhr Fatih Mehmet Borucu im Februar dieses Jahres auf einem anderen Müllwagen mit, als ihm zugeteilt wurde. Als er gerade auf der Kaarster Straße eine Gelbe Tonne hinten auf den Lastwagen stelle, passiert es: Borucu verhakt sich an der Stange, die manuell als Griff in die Tonne eingebaut war, wird mit nach oben gezogen und landet hinten im Wagen. Der Fahrer sieht ihn im Rückspiegel nicht mehr und drückt deshalb auch nicht den Notschalter, der in seinem Führerhaus zur Verfügung steht und bei solchen lebensbedrohlichen Situationen den Strom des Wagens abschalten soll. Auch die anderen „Lader“, so nennt man die Männer, die die Tonnen auf den Wagen laden, bekommen nicht mit, wo ihr Kollege gerade ist. Die Presse kommt immer dichter an Borucus Kopf. „Ich habe schon mit allem abgeschlossen und dachte, jetzt werde ich zerdrückt“, erinnert er sich: „Ich dachte nur, lass bloß nicht die Jacke reißen, sonst ist es zu Ende.“
Die Jacke hielt, und als die Tonne wieder runtergefahren wird, fliegt Fatih Borucu zwei Meter weit aus dem Auto und landet auf dem Asphalt. Sofort wird er ins Krankenhaus gefahren, seine ganze linke Seite ist blau, er hat Schürfwunden. Eigentlich müssen auch mehrere Knochen gebrochen sein. Doch das Röntgenbild zeigt: Fatih Borucu hat sich wie durch ein Wunder nichts gebrochen. Nicht an diesem Tag im Februar und auch nicht bei seinen anderen rund 30 Unfällen, die er in seinen 35 Lebensjahren bislang erlebt hat. Dabei waren zwei Stürze aus dem dritten Stock, mehrmals wurde Borucu schon von einem Auto angefahren. Als kleiner Junge sowie in seinen mittlerweilen drei Jahren als Müllmann. „Die Kollegen nennen mich schon Bruce Willis und Mr. Unbreakable“, sagt er. Als er seine Frau aus dem Krankenhaus anrief und sagte, wo er ist, kam sie mit Tränen in den Augen in die Notaufnahme, doch Fatih beruhigte sie. „Du kennst mich doch, ich breche mir nichts“, sagte er zu ihr. Borucu dachte, er würde drei Monate ausfallen, nach drei Wochen war er aber wieder arbeitsfähig.
Borucu ist nicht der erste Müllmann, der in der Presse landet. Er allein weiß von zwei Kollegen aus anderen Städten, die ebenfalls hinten in der Presse gelandet sind. Einer von ihnen bezahlte den Unfall mit dem Leben, der andere verlor einen Arm.
Fatih Borucus Frau wollte ihm nach dem Unfall ausreden, weiter als Müllmann zu arbeiten. Der Job sei zu gefährlich – und zu anstrengend. Oft kommt Fatih Borucu nach Hause und ist kaputt, die Beine schmerzen und er will einfach nur noch schlafen. Doch er macht weiter. „Ich habe eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann gemacht und habe auch als Verkäufer gearbeitet, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich etwas anderes machen will“, sagte er. Borucu wollte raus in die Natur, und da er keine Umschulung machen wollte, hat er sich bei der Müllabfuhr beworben. Sein Vater war ähnlich zäh wie er, das „Unbreakable“-Gen liegt offenbar in der Familie.