Schwuler Religionslehrer Katholisch, Religionslehrer, schwul - „Im schlimmsten Fall wird mir die Lehrerlaubnis entzogen“

Düsseldorf · Jacob (33) lebt mit einem Mann und unterrichtet katholische Religion mit Leidenschaft. Er sieht darin keinen Widerspruch. Seine Kirche schon.

Regenbogenflagge vor dem Kölner Dom – noch immer kämpfen Homosexuelle um die Anerkennung der katholischen Kirche.

Foto: picture alliance / Oliver Berg/d/Oliver Berg

. Ein katholisches Gymnasium in Borken hat es bundesweit in die Schlagzeilen geschafft, weil ein homosexueller Referendar, der seinen Partner heiraten will, nicht als Lehrer übernommen wird. Seine Schüler protestierten mit einem Regenbogen aus bunten Ballons dagegen. Zu Recht, findet Jacob (alle persönlichen Angaben zum Schutz der Person geändert). Der 33-Jährige unterrichtet Mathe und katholische Religion an einer Grundschule in Münster. Und er ist schwul. Kein Widerspruch, findet er.

Jacob, warum haben Sie sich ausgerechnet für katholische Religion als Unterrichtsfach entschieden?

Jacob: Es hat sich offen gesagt einfach ergeben. Eigentlich wollte ich gern Bio machen – hatte aber keine Lust auf eine Kombination mit Chemie oder Physik. Dann blieben noch Sport, Kunst, Musik und Religion. Die Sportprüfungen sind der Hammer. Zudem kann ich gerade mal Strichmännchen zeichnen, nicht singen und spiele kein Instrument.

Zur katholischen Religion hatten Sie da mehr Nähe?

Jacob: Absolut. Meine Großmutter war streng gläubig, jeden Sonntag ging es in die Kirche. Ich bin mit christlichen Werten aufgewachsen, war Messdiener, bin getauft und zur Kommunion gegangen. Und ich war auch selbst auf einer katholischen Schule.

Wann war denn Ihr Coming-Out?

Jacob: Geoutet habe ich mich mit 18. Aber gewusst habe ich wahrscheinlich schon mit neun, dass ich schwul bin. Also immer. Seit Sexualität irgendeine Rolle spielte.

Hat das für Sie jemals mit den christlichen Werten aus Ihrer Kindheit kollidiert?

Jacob: Nein, überhaupt nicht. Warum sollte ich als Homosexueller nicht an Gott glauben dürfen? Die Quintessenz der christlichen Botschaft lautet: Liebe deinen Nächsten.

Der christlichen Botschaft: ja. Aber die katholische Lehre ist da rigider.

Jacob: Die Katholiken waren über viele Jahrhunderte die Instanz schlechthin – und jetzt kommen sie einfach nicht so richtig hinterher. In vielen Punkten sind sie … rückständig klingt mir zu hart. Nicht modern – das trifft es vielleicht. Vor einiger Zeit hing am Kölner Dom mal ein großes Banner mit einer Liebeserklärung der katholischen Kirche an so ziemlich jede gesellschaftliche Gruppe – bis auf Schwule und Lesben. Ich war geschockt. Sind wir denn keine Menschen? Das ist einfach nur Diskriminierung.

Behindern diese Gefühle Sie in Ihrer Arbeit?

Jacob: Nein. Ich finde die christlichen Werte für die Entwicklung eines Kindes sehr förderlich. Wir haben es mit immer schwierigeren Kindern zu tun – da finde ich den Religionsunterricht und darin enthaltene Themen wie Dankbarkeit, Gemeinschaft sowie die kulturellen und geschichtlichen Aspekte umso wichtiger. Wer war Sankt Martin, wofür steht er, warum feiern wir sein Beispiel noch heute? In der Grundschule geht es ja um sehr Fundamentales.

Warum haben Sie sich nicht einfach für evangelische Religion entschieden?

Jacob: Das ist nie die Frage gewesen. Ich bin nun einmal katholisch.

Ihre Lehrerlaubnis haben sie von der katholischen Kirche erhalten – unter der Voraussetzung, dass Sie nach deren Grundsätzen leben. Gab es mal einen Zeitpunkt, wo Sie dachten: Das könnte haarig werden?

Jacob: Sehr spät tatsächlich. Im Studium wurde ich zwar schon auf diese Idee gestoßen – ich habe ja an Exerzitien in Taizé teilgenommen, bin noch gefirmt worden. Aber das Fach war sehr wissenschaftlich, auch philosophisch. Erst als ich meine erste Seminarstunde im Referendariat hatte und die Seminarleiterin vor mir stand, dachte ich plötzlich: Ich kenne diese Frau nicht, was ist, wenn sie mich verpfeift?

Und?

Jacob: Im Seminar war noch ein anderer Homosexueller. Wir haben immer herumgeschwurbelt über unsere Partner zu Hause. Irgendwann sagte die Dozentin dann: „Hört auf, um den heißen Brei herumzureden – ich weiß, dass ihr schwul seid.“ Das war es, es war überhaupt kein Problem für sie.

Für die Missio Canonica – die Lehrbeauftragung der Kirche – mussten Sie erklären, die Grundsätze der katholischen Kirche in Ihrer persönlichen Lebensführung zu beachten.

Jacob: Diese Unterschrift war ein notwendiges Übel und hatte für mich keinerlei Bedeutung. In meiner Lehrbeauftragung steht, dass ich den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der katholischen Lehre halte – und das tue ich. Aber ich missioniere nicht. Ich möchte, dass die Kinder zu selbst denkenden und auch kritisch denkenden Menschen werden. Sie sollen hinterfragen. Zum Beispiel, wieso Gott Leid in der Welt zulässt.

War Homosexualität auch mal Thema?

Jacob: Ein Schüler hat mich vor wenigen Wochen gefragt, wie ich zu Lesben stehe. Ich habe geantwortet, dass jeder so leben soll, wie es ihn glücklich macht, und dass jeder Mensch so ist, wie er eben ist. Wir gehen von einem unfehlbaren Gott aus – also können Homosexuelle kein Fehler sein.

Halten Sie Ihre Sexualität im Job komplett geheim?

Jacob: Bei Kollegen und Schulleitung: nein. Da war es auch nie ein Problem. Bei Eltern und Schülern: ja. Aber ein Vater hat mich mal direkt gefragt, wer denn mein Freund sei, der öfter bei Veranstaltungen in der Schule sei. Da war ich offen und habe gesagt, dass es mein Lebenspartner ist – das war für den Vater auch okay. Ich habe mir immer vorgenommen, nichts zu verleugnen.

Und was wäre, wenn jemand Sie an die Kirche verpfeift?

Jacob: Das belastet mich nicht sehr. Im schlimmsten Fall wird mir die Lehrerlaubnis entzogen. Aber ich weiß von genug Schulen, die aufgrund des Lehrermangels auch Kräfte ohne Lehrerlaubnis der Kirche nehmen. Wir Grundschullehrer unterrichten praktisch sowieso alle Fächer. Ich bin Beamter auf Lebenszeit – kündigen kann man mich also nicht.

Aber Sie wollen auch unbedingt weiter Religion unterrichten, nehme ich an.

Jacob: Ich mache das mit großer Leidenschaft. Gerade Religion in der vierten Klasse ist so ertragreich – das ist unglaublich. Oft sitzen wir im Kreis und diskutieren über Themen wie Krieg und die Schöpfung. Ich glaube fest an ein „höheres Wesen“ und die Werte, für die das Christentum steht. Und wenn die Kinder merken, dass man da völlig authentisch ist, nehmen sie es ihrerseits sehr ernst.

Was wünschen Sie sich von „Ihrer“ Kirche?

Jacob: Einen Schritt in die richtige Richtung. Ich mache den Job gut und mit viel Liebe - wir sollten Hand in Hand arbeiten. Ich erwarte sicher keine überschwängliche Umarmung. Aber vielleicht ein freundliches Kopfnicken. Immerhin sagt die katholische Kirche: Jesus liebt alle. Warum kann sie das dann nicht? Ich bin eben, wie ich bin. Das ist … gottgegeben.