Konzert Kraftwerk vor 25 000 Menschen in Bonn: Gute Stimmung programmiert

Bonn · Die Düsseldorfer Musikpioniere begeisterten die Zuschauer mit zeitlosem Elektro-Sound und Retro-Projektionen in 3D. Wenn Maschinen Menschen unterhalten.

Kult am Pult: Die vier Musiker von Kraftwerk versetzten die Menge bei ihrem einzigen großen Deutschland-Konzert 2022 in Trance.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Um Punkt 21 Uhr leuchteten im Bonner Hofgarten vier Stehpulte giftgrün auf. Dahinter: die Düsseldorfer Elektronik-Pioniere von Kraftwerk. Doch bei dem riesigen Open-Air-Konzert mit 25 000 Zuschauern sollten am Sonntagabend genau diese vier Menschen bewusst im Hintergrund bleiben, um den Maschinen den Vortritt zu lassen. Bei „Kraftwerk 3D“ stand das audiovisuelle Erlebnis im Zentrum. Symbole statt Gesten, Staunen statt Ausflippen.

Das Quartett um das letzte verbliebene Gründungsmitglied Ralf Hütter hat die Konvertierung von 70-er-Jahre-Futurismus zu 2020er-Retro bestens überstanden. Die wummernden Bässe und hypnotisierenden Synthesizer-Sounds sind zeitlos und nach wenigen Minuten war klar: Kraftwerk und Publikum - das funktionierte ohne jegliche Kompatibiltiätsprobleme.

Es wurde ein Abend, der als Ton-Mitschnitt nicht annähernd zu transportieren wäre. Die einmaligen Gefühlssphären, in welche die Menge bei Klassikern wie „Autobahn“ oder „Das Model“ eintauchte, ergaben sich in Gänze erst durch das Zusammenspiel mit den 3D-Projektionen von „Video-Operator“ Falk Grieffenhagen. Raumschiffe steuerten aus der Leinwand in den Hofgarten, Farben und Strukturen hypnotisierten das Publikum, das an den Eingängen mit 3D-Brillen ausgestattet wurde.

Der zweite Filter, durch den die Zuschauer das Spektakel betrachteten: das Smartphone. Eine ganze Armee von Menschen, die ihren persönlichen Computer wie eine Verlängerung des Arms in die Höhe halten, um ein hoch durchprogrammiertes Spektakel digital aufzuzeichnen - dieses Bild hätte den Düsseldorfer Visionäre in den 1970er Jahren sicherlich ausgezeichnet ins Konzept gepasst.

Um Punkt 23 Uhr schalteten vier Menschen schließlich ihre mächtigen Sound-Maschinen aus - und 25 000 weitere gingen glücklich nach Hause.