Umweltproblem Krebsgefahr und niemand tut etwas - Wenn Tankschiffe auf dem Rhein giftige Gase freisetzen
Düsseldorf · Bei einem schon vor Jahren beklagten Umweltproblem bewegt sich nichts. Dabei führt es möglicherweise zu Krebserkrankungen und Erbgutveränderungen. Die Grünen bringen das Thema in den Landtag.
Wenn es um Luftverschmutzung durch Schiffe auf dem Rhein und anderen Wasserstraßen geht, dann sind normalerweise die Abgase gemeint. Bei Tankschiffen kommt aber eine andere Luftbelastung hinzu, über die niemand einen genauen Überblick hat und die die Grünen am Mittwoch im Landtag zum Thema machen. Es geht um die Entgasung von Tankschiffen, die, so der Verdacht, immer wieder illegal erfolgt. Und die Fluss-Anwohner mit möglicherweise krebserregenden und erbgutverändernden Stoffen belastet.
Das Umweltbundesamt hat das Problem bereits vor fünf Jahren in einer 150 Seiten starken Studie eindringlich beschrieben: Wenn Binnentankschiffe flüssige und gasförmige Stoffe transportieren, so haben die Binnenschiffer nur dann kein Problem, wenn sie nach der Entladung wieder die gleichen Substanzen nachladen. Soll bei einem neuen Transportauftrag aber eine andere Ladung aufgenommen werden, muss der Tank entleert werden, um eine Verunreinigung der nachfolgenden Ladung zu verhindern. Die in den Tanks enthaltenen Restdämpfe können über Ventilatoren entweder in die Atmosphäre abgegeben (entgast, ventiliert) oder an Abgasreinigungsanlagen übergeben werden.
Pro Ventilierungsvorgang fällt nach Zahlen des Umweltbundesamts im Durchschnitt eine Entgasungsmenge von 950 bis 1900 Kilogramm an. Einfach in die Luft blasen dürfen die Binnenschiffer diese Gase freilich nicht. Es sei denn, sie hätten dafür eine behördliche Genehmigung. Sie müssen eine Abgasreinigungsanlage zum Entgasen von Binnentankschiffen ansteuern.
Wer sich legal verhalten will, muss in die Niederlande fahren
Das Problem: Eine solche Anlage gibt es gar nicht in Deutschland, die nächsten liegen in den Niederlanden. Weil das Ansteuern dieser Stationen für die Binnenschiffer Zeit- und Kostenaufwand bedeutet und weil es kaum Anträge auf eine ausnahmsweise Genehmigung des Ventilierens auf dem Fluss gibt, formuliert das Umweltbundesamt vorsichtig: Es gehe „davon aus, dass unerlaubte Ventilierungen stattfinden“. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Umweltverschmutzer dabei der Wasserschutzpolizei auffallen, ist nicht besonders groß, zur Not lässt sich das Ablassen der giftigen Gase ja auch bei Nacht bewerkstelligen.
Das Umweltbundesamt wird dann in seiner Studie aber doch konkreter, gibt einen Überblick, wie viele Tankschiffe auf deutschen Wasserstraßen Mineralölerzeugnisse und andere flüssige und gasförmige Stoffe transportieren. Und kommt bei seiner Hochrechnung zu einer durchaus bedenklichen Zahl, kalkuliert für das untersuchte Jahr 2012: dass es nämlich bis zu 422 solcher Ventilierungsfälle allein in diesem einen Jahr gegeben habe.
Die Zahl ist nun schon mehrere Jahre alt, ebenso wie die Studie des Umweltbundesamts. Und doch hat sich kaum etwas bewegt. Das soll sich nach dem Willen der Grünen in NRW nun ändern. Sie beklagen, dass bisher nur die Wasserschutzpolizei und die Hafenbehörden zuständig seien. Landesumweltamt und Bezirksregierungen, so fordern sie von der Landesregierung, müssten eingebunden werden, um Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten zu verschärfen. Auch müsse es kontinuierliche Luftmessungen entlang der Hauptwasserstraßen geben. Um der Luftverschmutzung effektiv zu Leibe zu rücken, müsse man daran gehen, nicht nur in den Niederlanden, sondern auch hierzulande Abgasauffang- und -reinigungsanlagen in Hafengebieten zu planen und umzusetzen.