25 Jahre nach Verbannung des Oberstadtdirektors: "Angehört worden bin ich nie"
Am 2. November 1988 hat der Rat Alfred Dahlmann von seinen Ämtern entbunden. Die WZ hat ihn jetzt in seiner Heimatstadt Ratingen besucht.
Krefeld. In seinem Badezimmer an der Wiesenstraße in Ratingen hängt ein Foto vom früheren Stadtpalais der Seidenbarone der von der Leyens in Krefeld, dem heutigen Rathaus. Seine Erinnerungen an die Stadt aber sind zweischneidig. „Nein“, wehrt Alfred Dahlmann ab. Auch 25 Jahre nach seiner Entmachtung als Oberstadtdirektor in Krefeld ist er nicht bereit, über die Hintergründe seines Rauswurfs zu sprechen. „Darüber ist viel geschrieben, spekuliert und diskutiert worden. Ich sehe auch heute keinen Anlass, mich daran zu beteiligen.“
Mit knapp 53 war Dahlmann (verheiratet, zwei Kinder) im November 1986 angetreten, um in Krefeld neue Strukturen für eine moderne, effiziente Verwaltung zu schaffen. Nur zwei Jahre später musste er seinen Schreibtisch räumen. Das nächtliche Geschehen am 26. Oktober 1988 an der Carl-Wilhelm-Straße (siehe unten) sieht der nach wie vor drahtige Dahlmann heute gelassen.
„Ich hatte Besuch von zwei mir bekannten Frauen aus Düsseldorf. Warum die Polizei plötzlich vor der Wohnung stand, weiß ich nicht mehr. Auch nicht, wie das Haschisch in die Wohnung kam. Ich bin Nichtraucher. Ich habe den Beamten und dem Drogenhund alle Schränke und Schubladen geöffnet, damit sie dort kontrollieren konnten. Sie fanden nichts und auch eine Blutprobe ergab, dass ich absolut sauber war.“
Dahlmann war als Beamter für eine Amtszeit von acht Jahren gewählt worden. Noch vor seiner Abwahl, die ihm die „Führung der Dienstgeschäfte“ untersagte, waren die Ermittlungen des Staatsanwalts ergebnislos eingestellt worden. Dennoch zeigte sich die Politik mehrheitlich unerbittlich.
„Einen Oberstadtdirektor privat gibt es nicht“, sagte der damalige und heutige CDU-Fraktionsvorsitzende, Wilfrid Fabel. Ein Stadtoberhaupt müsse sich strengere Maßstäbe anlegen lassen als Normalsterbliche.
Die spätere Grünen-Bürgermeisterin Rita Thies erkannte hinter den Beschuldigungen gegen Dahlmann eine „Doppelbödigkeit von selbst ernannten Moralaposteln“. Alfred Dahlmann bedauert im Rückblick vor allem, dass ihn weder Rat noch Fraktionen angehört hätten.
Er sagt es nicht, lässt aber durchblicken, dass der Vorfall in Teilen der Politik durchaus willkommen war. Mit Dahlmanns christdemokratischen Parteifreunden stimmte auch die SPD im Rat im Dezember 1988 für seine Abwahl. Lediglich die fünfköpfige Grünen-Fraktion, der neben Thies auch schon Rolf Rundmund angehörte, sprach sich dagegen aus. In allen Diskussionen wird ein Aspekt nie in Zweifel gezogen: Dahlmanns exzellente Fachkompetenz.
Über Personen will Dahlmann nicht sprechen, wohl aber über Hintergründe. Als Mitglied der Gewerkschaft ÖTV ist er ein Gegner der Privatisierung der kommunalen Müll- und Klärschlamm-Verbrennungsanlage (MKVA) an der Parkstraße. Der Oberstadtdirektor steht dem Projekt im Wege, das von der CDU favorisiert wird.
Nur ein halbes Jahr, nachdem der unbequeme Querkopf matt gesetzt wurde, beschließt der Rat 1989 die Privatisierung der MKVA in zwei neue Gesellschaften. Sechs Jahre später wird auch der städtische Fuhrpark privatisiert und zur GSAK. Beide sind heute Töchter der Stadtwerke.
Die „Entsorgung“ Dahlmanns selbst aber wird teuer. Sechs Jahre lang, bis zum Ablauf seiner Amtszeit, muss die Stadt seine Bezüge von monatlich rund 5000 DM überweisen. Umgerechnet kommt so eine Summe von 200 000 Euro zusammen. Aufkommen muss die Stadt zudem bis heute für das Ruhegehalt Dahlmanns.
Da spielt es keine Rolle, dass er als späterer Manager der Entwicklung des Düsseldorfer Hafens ungleich höhere Summen bewegt. Er verweist stolz darauf, dass er dort im Auftrag der Stadt Düsseldorf im Laufe von 16 Jahren „rund zwei Milliarden Euro an Investitionen und ein- bis zweitausend Arbeitsplätze“ angeschoben habe.
Derzeit arbeitet Alfred Dahlmann an der Masterarbeit seines Geschichtsstudiums an der Uni Düsseldorf. Den Bachelor hatte er mit 76 Jahren in der Tasche. Thema der Arbeit: Regierungsstil römischer Cäsaren. Außerdem sitzt der frühere CDU-Politiker für die Bürgerunion im Ratinger Stadtrat. Am 14. November wird Dahlmann 80 Jahre alt.