Abschied von Silvia mit Tränen
Unter großer Anteilnahme wurde das Kind, das nur wenige Minuten lebte, beigesetzt.
Krefeld. Der winzige weiße Sarg ist bedeckt mit bunten Blumen. Weiße Kordeln umschnüren ihn, an denen der schlichte Holzkasten später ins Grab hinabgelassen werden wird. Im Inneren liegt Silvia, der vom Leben nur wenige Minuten blieben. Gleich nach der Geburt wurde sie getötet — mit Tüchern geknebelt, später in einen Müllbeutel gesteckt und am Rande des Krefelder Südparks abgelegt.
Dass ein Mensch entsorgt wird wie Abfall, will Pfarrer Michael Hack nicht einfach hinnehmen. In der Trauerhalle des Hauptfriedhofs betont er, dass dieser 52 Zentimeter kleine Körper nicht in der Anonymität bestattet werden soll.
Schon deshalb hat er dem Kind einen Namen gegeben — Silvia, lateinisch an den Wald erinnernd, die nun in Würde beerdigt werden soll.
Die Menschen nehmen Anteil an dem Schicksal des Babys: Etwa 100 sind in die Trauerhalle an der Heideckstraße gekommen, viele haben Tränen in den Augen.
Einige legen etwas vor dem aufgebahrten Sarg ab: Kuscheltiere, Blumen, Kerzen. Ein überdimensionaler Teddybär sitzt an der einen Ecke, an der anderen ein Pinguin. Sie werden später die Grabstelle zieren, an der Silvia — dorthin begleitet von einem langen Trauerzug — die letzte Ruhe finden soll.
Polizeiseelsorger Hack spricht in seiner Trauerrede aber nicht nur über das kleine Kind, er findet auch Worte für die Mutter, in deren Lage sich niemand versetzen könne. Es sei nicht klar, warum sie so gehandelt, etwas so Entsetzliches getan habe.
Vermutlich sei sie in ein Loch gefallen, in einen Abgrund, aus dem sie nicht herauskomme. „Diese Frau ist in Not, sie wird traumatisiert sein und Hilfe benötigen“, sagt Hack. Daher stehe er für sie auch als Ansprechpartner zur Verfügung. Als Geistlicher sei er zum Schweigen verpflichtet.
Oft werde ihm von Trauernden die Frage nach dem Warum gestellt, so auch diesmal, berichtet der Pfarrer. „Doch darauf können wir keine wirkliche Antwort bekommen.“ Nach der Veröffentlichung seiner Telefonnummern hätten sich viele Menschen bei ihm gemeldet, um ihre Anteilnahme auszudrücken oder über ihre Gefühle zu sprechen. Die Mutter ist bislang nicht darunter.
Eine der Anruferinnen war Julia Polziehn. Die Musikerin hat die Berichterstattung über den Fall in den Medien verfolgt und ist sehr bewegt von dem, was mit Silvia passiert ist. Während ihres Studiums sei sie selbst sehr jung Mutter geworden, deshalb gehe ihr das Geschehen sehr nah.
Als Polziehn die Todesanzeige las, griff die Cellistin sofort zum Telefonhörer und bot Michael Hack an, bei der Trauerfeier zwei Stücke zu spielen, was sie dann auch tut. Warum ihr das wichtig ist, dafür hat sie eine nachvollziehbare Antwort: „Als Musikerin kann ich da weitersprechen, wo man keine Worte mehr findet.“