An Weihnachten im Fußballstadion
Boxing Day ohne Fußball? In England und damit auch für Marvin Haas und seine Familie ist das einfach undenkbar.
Das Spiel einen Tag vor Heiligabend gegen Manchester United: ausverkauft. Die Partie am 26. Dezember in Watford: ausverkauft. Die Begegnung beim FC Liverpool am 30. Dezember: ausverkauft. Dem Fußballfieber in England kann sich zwischen Weihnachten und Neujahr kaum jemand entziehen. „Das gehört hier einfach dazu“, erzählt Marvin Haas, der seit seinem achten Lebensjahr in Hinckley, unweit der Krefelder Partnerstadt Leicester, in den englischen East Midlands wohnt. „Am 25. Dezember hat die Familie Vorrang, da gibt es auch die Geschenke“, sagt der 27-Jährige und fügt an: „Der 26. Dezember steht dann bei vielen ganz im Zeichen des Fußballs.“ Eine Menge Engländer würden dann die Spiele entweder im Wohnzimmer, dem Pub oder direkt im Stadion sehen.
Marvin Haas wird am zweiten Weihnachtstag dieses Jahr im Stadion sein. Ein Auswärtsspiel von Leicester City steht auf dem Programm. „The Foxes“, wie die Spieler aus Leicester auch genannt werden, wurden 2016 sensationell Meister in der Premier League, der ersten englischen Fußball-Liga.
Doch bereits Jahre vor dem Titelgewinn hatte sich Marvin Haas den Blau-Weißen verschrieben. Schuld ist Vater Oliver, der seinen Sohn direkt nach dem Umzug von Schiefbahn nach England mit ins Stadion nahm und viele Freunde rund um den englischen Fußballverein besitzt. Während der Vater dieses Jahr an Weihnachten in der Heimat am Niederrhein weilt und auch seinen Bruder Michael in Krefeld besucht, wird sich Sohn Marvin mit Trikot und Schal bekleidet auf den Weg ins anderthalb Stunden entfernte Watford machen.
Dort wird am 26. Dezember im Stadion an der Vicarage Road die Begegnung von Leicester City gegen die „Hornets“ aus Watford angepfiffen.
Nur 2161 Tickets gab es für die Auswärtsfans für dieses Spiel. Eine davon hat sich Marvin Haas gesichert. Aber wie findet das eigentlich seine Frau? „Ach“, sagt er: „In England hat Fußball einen sehr hohen Stellenwert. Man kann sagen: erst die Familie, und dann der Fußball.“ Dementsprechend sei es auch kein Problem, wenn er selbst an Feiertagen die Spiele seiner Mannschaft besuchen würde. „Meine Frau war beispielsweise erst vergangene Woche mit mir beim Spiel im Pokal gegen Manchester City.“
Auch der erst elf Monate alte Sohn der Haas’ wurde schon mit dem Fußballfieber seiner Eltern infiziert und besitzt bereits sein eigenes Trikot. „Für den Besuch im Stadion ist es aber noch ein bisschen früh“, sagt Haas. Dafür trägt der jüngste Spross aber den Verein gewissermaßen im Namen. „Unser Sohn heißt Sebastian Kasper, der Zweitname ist vom aktuellen Torwart von Leicester, Kasper Schmeichel abgeleitet“, grinst der stolze Vater. Der Mitarbeiter einer Software-Firma kennt den englischen Sport-Hype rund in der Weihnachtszeit noch gut aus seiner Heimat.
„Ich war oft an den Weihnachtstagen bei den Krefeld Pinguinen.“ Ebenso wie im englischen Fußball sind auch in der Deutschen Eishockeyliga (DEL) die Spieltage an Weihnachten und Neujahr beliebte Termine für Stadionbesuche und sorgen für volle Tribünen. Die Spiele seien so beliebt, dass bei der Herausgabe des jeweiligen Spielplans nach dem Blick auf das erste und letzte Saison-Spiel direkt den Partien an Weihnachten und Neujahr gewidmet sei. Anders als in Deutschland ist die An- und Abreise in England an den Weihnachts-Spieltagen aber deutlich schwieriger. „Der öffentlich Personennahverkehr steht rund um Weihnachten fast still. Busse und Bahnen fahren kaum — zumindest wenn man nicht in einer Metropole wie London wohnt.“
Für einen treuen Fan wie Marvin Haas ist das kein Problem. Zum Spiel in Watford nimmt er einfach das Auto.