Zoo Krefeld Ein Päckchen für Hujan
Dem Orang-Utan-Jungen geht es bei seiner Ziehmutter Eva Ravagni ziemlich gut. Bei ihr feiert er sein erstes Weihnachtsfest.
Bockum. Damit Hujan im Wohnzimmer herumtoben kann, ist die Gardine abgenommen worden. Auf der Anrichte liegen statt hübscher Adventgestecke ein Stapel Windeln und dort, wo ab dem Heiligen Abend eigentlich der Christbaum seinen Platz hat, steht ein Kinderbett. Es hat seitlich und auch oben Gitter, damit der Kleine daran hangeln kann. Denn Hujan ist ein Orang-Utan und braucht viel Bewegung.
Familie Ravagni, vor allem Tochter Eva, Affenpflegerin im Zoo Krefeld und gleichzeitig Ersatzmutter, mischt er locker auf. „Auf den Weihnachtsbaum müssen wir in diesem Jahr verzichten“, sagt die Mama auf Zeit. „Hujan würde darin klettern wollen und wahrscheinlich auch mit den Kugeln werfen. Außerdem besitzt Tanne ätherische Öle, die beim Knabbern nicht gut für ihn wären.“
Ein Geschenk hat der Kleine dagegen bereits bekommen: Von der Zimmerdecke hängt ein Kletterseil herab, mit dem er den Weg nach oben üben kann. Natürlich gibt es zusätzlich etwas Süßes. Das Auspacken mit Händen und Füßen hat der muntere Kerl schon einmal geübt. Im Weihnachtspapier liegen Bananenstücke. „Die bekommt er ganz selten, denn die machen dick.“ Stattdessen knabbert der mittlerweile sechs Monate alte und sechs Kilo schwere Hujan bei der morgendlichen Spielstunde im Zoo Möhren- und Pastinaken-Stifte. Das ist mit sieben Zähnen gar nicht so einfach.
Für die Flasche mit Babymilch hat er keine Zeit, er muss pausenlos klettern und schwingen, ist die ganze Zeit in Bewegung, immer in der Nähe von Eva Ravagni. „Er hängt gerne an Mama“, sagt die 34-Jährige. „Er entfernt sich nur ganz kurz von mir.“ Das hat Vor- und Nachteile. Kaum ist die Windel im Gehege abgelegt, macht Hujan seinem Namen, der übersetzt „Regen“ bedeutet, alle Ehre: Er pullert entspannt auf die Jeans der Ersatzmama.
Die nimmt es gelassen. „Es ist nicht das erste Mal. Ich liebe meinen Beruf — und mit ihm noch viel mehr.“ Es sei jetzt viel wichtiger, dass der Kleine seine Spuren im Gehege für die anderen Orang-Utans hinterlässt. „An die Besucher, die am Gehege stehen, muss er sich erst noch gewöhnen.“
Kameras kennt der kleine Medienstar hingegen sehr gut. In einigen Monaten werden seine Oma Lea und Halbschwester Suria das „Team Zusammenführung“ bilden. „Bei mir hat er ja keine Zukunft. Aber die Bindung wird bleiben. Er wird mich kennen, auch wenn ich ihn irgendwann einmal in einem anderen Zoo besuchen würde.“ Jetzt ist jeder Tag aufregend, sowohl für Hujan als auch für Eva Ravagni.
Die Blicke aus seinen großen dunklen Augen zeigen ihr, wie er drauf ist. Täglich lernt er viel. Und wirklich: An diesem Tag schafft er die ersten eineinhalb Meter auf dem Seil nach oben. „Das konnte er bisher nicht“, freut sich Ravagni über den Fortschritt. Hujan ist völlig entspannt, knabbert am Stroh. Auch für die Ersatzmutter ist das Leben — und vor allem die Nacht — mittlerweile ein wenig ruhiger geworden. „Er bekommt nicht mehr alle zwei Stunden die Flasche — nachts überhaupt keine mehr. Das ist Luxus. Er wird nur manchmal wach, quengelt und schläft dann wieder ein. Mein Bett ist auf dem Sofa nebenan.“
Für die Betreuungszeit des quietschfidelen Rackers ist sie zu ihren Eltern gezogen, anders hätte es nicht geklappt. Denn Hujan hängt stets an ihr und greift dann auch nach allem. „Ich kann mit ihm ja nicht kochen, Auto fahren oder einkaufen gehen. Meine Eltern fahren mich zur Arbeit, denn Hujan klettert aus dem Kindersitz. Ohne die Eltern hätte ich es nicht geschafft.“ Auch wenn Hujan sie ständig auf Trab hält: Eva Ravagni ist in ihren Ziehsohn ganz vernarrt und wird sich solange um ihn kümmern, bis er wieder ins Orang-Utan-Gehege zurückgelassen wird.