Gesundheit Beatmung: Einzigartiges Projekt startet in Krefeld

Am Helios startet jetzt ein bislang bundesweit neues Projekt für künstlich beatmete Patienten.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Ein Schlaganfall, eine komplizierte Herz-OP oder ein schwerer Unfall müssen nicht das Todesurteil bedeuten — die moderne Intensivmedizin rettet heute viele Leben. Bei allem Fortschritt: Nach wochenlangem Aufenthalt auf der Intensivstation mit künstlicher Beatmung, verlernen einige Patienten selbst zu atmen. Die Zahl der Betroffenen, die in Krefeld außerhalb von Krankenhäusern auf künstliche Beatmung angewiesen ist, schätzt Dr. Manuel Streuter, Chefarzt des Lungenzentrums am hiesigen Helios Klinikum, auf 30 bis 40. „Lebensluft“ heißt das bislang deutschlandweit einzigartige Modellprojekt, das jetzt in Krefeld an den Start geht und diesen Patienten im besten Fall langfristig ein Leben ohne Beatmungsgeräte ermöglichen soll.

Mit Unterstützung der Aok Rheinland/Hamburg ist in unmittelbarer Nähe zum Helios Klinikum Krefeld in den vergangenen zwei Jahren im Gebäude der alten Frauenklinik eine neue Station entstanden. Baukosten: Mehrere Hunderttausend Euro. Die größte Investition sei aber die Ausbildung und Beschäftigung qualifizierten Personals, betont Alexander Holubars, Helios-Geschäftsführer in Krefeld.

Zehn Patienten können hier bis zu sechs Monate zeitgleich in Einzelzimmern untergebracht werden — in einer häuslichen Atmosphäre ohne „Neonlicht und abwaschbare Kacheln wie auf der Intensivstation“, betont Lungenfacharzt Manuel Streuter. Dort bereiten sie Physio-, Ergo- und Atmungstherapeuten Schritt für Schritt wieder auf selbstständiges Atmen vor. Vor vier Wochen sind die ersten drei Patienten auf die Lebensluft-Station gezogen.

Gut 120 schwerkranke Patienten aus dem Einzugsgebiet — Krefeld, der linke Niederrhein bis Kleve, aber auch aus Duisburg und Essen — müssen am Helios Krefeld jährlich von der künstlichen Beatmung entwöhnt werden, rechnet Streuter vor. Die künstliche Beatmung führe zur einer Schwächung der eigenen Atemmuskulatur — die Patienten müssen das Sprechen, Schlucken und eben auch das Atmen neu lernen, erklärt der Fachmann.

„Die Hälfte können wir nach vier bis fünf Wochen entwöhnt entlassen. Es bleiben 30 bis 40 Prozent, von denen ich glaube, dass sie es schaffen können, eigenständig zu atmen, aber mehr Zeit brauchen.“ Sie sollen künftig von dem Modellprojekt profitieren. „Es ist realistisch, dass rund ein Drittel der Patienten, die wir im Rahmen dieses Projekts betreuen, die Chance auf ein Leben ohne künstliche Beatmung haben“, sagt Streuter und spricht dabei von „enormem Fortschritt“.

Neben einer pflegerischen Rund-um-die-Uhr-Betreuung soll die Therapie den Schwerpunkt des neuen Versorgungskonzeptes bilden: Im Fokus sollen dabei Mobilisation, die Stärkung der gesamten Atemmuskulatur, psychische Stabilisierung und Wiedereingliederung des Patienten in den Alltag stehen.

„In Deutschland gibt es eine gute medizinische Versorgung, aber auch Patientengruppen, die dabei im Schatten stehen“, begründet Hans-Werner Stratmann, Regionaldirektor der Aok für Krefeld und den Rhein-Kreis-Neuss, die Notwendigkeit des auf einen Zeitraum von acht Jahren angelegten Modellprojektes. Eine begleitende wissenschaftliche Evaluation soll dabei unterstützen, ein optimiertes Behandlungs- und Therapieschema zu etablieren. Das Ziel: Das Krefelder Behandlungskonzept langfristig bundesweit in die Regelversorgung aufzunehmen. Klinikgeschäftsführer Alexander Holubars ist optimistisch: „Wenn sich der medizinische Erfolg so einstellt wie erwartet, kann ,Lebensluft’ ein Vorbild für die Versorgung dieser Patienten in ganz Deutschland werden.“