Kultur Chapeau, Hannes Wader, chapeau
Der Musiker ist auf Abschiedstournee. Am Samstag war er in Krefeld.
Krefeld. Da steht er nun auf der Bühne des Theaters, im dunklen Hemd und ohne Deko-Schnick-Schnack. Er beginnt, wie er es traditionell oft tut, sein Konzert mit „Heute hier, morgen dort.“ In Krefeld, wird er nicht mehr auftreten, Hannes Wader (75) ist, nach 50 Jahren Bühnenpräsenz, bis Ende November nämlich auf Abschiedstournee. „Heute singe ich über mein Leben“, sagt er zu Beginn, erzählt von Begegnungen auf der Burg Waldeck und singt ein von Reinhard Mey ins Französische übersetztes Lied.
Neben den klassenkämpferischen Ansätzen gibt es genauso auch poetische und lyrische Anteile. Jetzt lobt er das Alter, bedauert, dass es keine Greise mehr gibt, „nur Zombies, die sich Senioren nennen.“ Er lebe lieber jetzt und hier, singt von den „Schwestern und Brüdern“ und den „Moorsoldaten.“ Er singt von der Oberschicht und der Unterschicht, und dass man seiner Klasse nicht entrinnen kann.
Hannes Wader singt, sich selber auf verschiedenen Gitarren begleitend, mit der sonoren Stimme, wie man sie liebt. Die Vokale zieht er lang, lässt sie zittern und intoniert die Konsonanten präzise. Er präsentiert sich als Sänger mit Haltung, den Klassenkampf vergisst er nicht, auch wenn er längst von den Ausflügen in die kommunistische Ideologie zurückgekehrt ist. Er war immer mehr als ein Liedermacher, er führte singend die Menschen an, die sich nach Veränderung sehnten, aber nicht wagten, tatsächlich dafür zu kämpfen. Sich dafür aber an den nebenwirkungsfreien Gedanken aufrichten konnten. Erlebnisse aus der Vergangenheit verklärt er nicht, selbstironisch singt er, wie er beim Versuch, Ostberliner Mädels mit Hilfe von Strumpfhosen „anzugraben“, scheiterte.
Über die Hamburger Reeperbahn singt er zur Tangomelodie von der „Großen Freiheit“, die aber ebenfalls als Desaster endete. Ehrliche Sentimentalität nimmt man ihm ab, wenn er sich an die 50 Jahre erinnert, die er sich mit Freunden, die immer weniger werden, in einer kleinen elsässischen Stadt trifft. Um die „Hommage an die alten Lieder“, die sein Publikum im ausverkauften Theatersaal hören will, drückt er sich nicht. „Rosen im Dezember“ gehört dazu, die „Fünf wilden Schwäne auch.“ Und natürlich „Trotz alledem“, die gesellschaftskritische Hymne, die die Vergeblichkeit des Engagements nicht akzeptiert, aber das „Getriebe der Profitmaschinerie zum Knirschen bringen“ will.
„Schon so lang“ beginnt der Zugabenteil, bei „Bella ciao“ wird schon im Saal mitgesungen, als Lagerfeuer-Stimmungslied ist es nicht nur den Älteren in Erinnerung. Als letzte Zugabe fordert er zum gemeinsamen Singen auf. „Sag mir wo die Blumen sind“ ist zwar kein Wader-Titel, passt aber zum Abend. Ein Abend, der alte Fans motivierte, auch von weiter her nach Krefeld zu kommen. Sie fuhren nicht enttäuscht nach Hause, hatten sie doch einen Sänger erlebt, der es noch kann. Der aufhört, bevor es nicht mehr geht. Chapeau, Hannes Wader.