Pro und Kontra Darum sollten abgesagte Karnevalszüge nachgeholt werden
Meinung | Krefeld · Die Tulpensonntagszüge in Uerdingen und Gellep-Stratum sollen nach Ostern nachgeholt werden – das ist ein legitimer Wunsch der Karnevalisten.
Kein freier Tag am Geburtstag, das Kind bekommt an Weihnachten kurz vor der Bescherung Fieber, ein Sturmtief könnte die Zuschauer des Bundesliga-Derbys Gladbach-Köln in Gefahr bringen: Da ist doch klar, das wird alles nachgeholt. Die Party läuft am Wochenende drauf, über Weihnachtsgeschenke freut sich der Nachwuchs auch noch am 28. Dezember, das Derby steigt am 11. März. Warum also nicht die ausgefallenen Karnevalszüge in Uerdingen und Gellep-Stratum nach Ostern nachholen?
Diese Idee der Veranstalter – die zunächst von den Karnevalsvereinen und dann von der Stadt abgesegnet werden muss – wird unter anderem in den sozialen Medien heiß diskutiert. Karneval habe nichts im Frühling oder sogar noch wärmeren Jahreszeit zu suchen, wird als ein Totschlagargument verbreitet. Das kontere ich genauso platt mit: Und was ist mit Karneval im heißen Rio?
Aber zurück zu den eigentlich schlagenden Argumenten: Der wichtigste Grund für einen April- oder Maisonntagszug als Ersatz für den Tulpensonntagszug ist, dass sich in Uerdingen und Gellep-Stratum Massen von Erwachsenen und Kindern über Monate auf ihren Zug vorbereitet haben. Viele planen schon ein Jahr vorher, wie ihre Mottowagen oder Kostüme aussehen sollen. Stunden um Stunden wird da gehämmert, gebastelt, genäht, geklebt, gemalt. Kindergärten, Schulen, Kleingartenvereine, Betriebe, die der Kitt der Stadtteile sind, machen mit. Diesen Karnevalsfans muss man den krönenden Abschluss gönnen können. Wer daran keinen Spaß hat, wird ja auch nicht gezwungen hinzugehen. Trotzdem würden ganz sicher Tausende allein in Uerdingen die Straßen säumen.
Nun ist der Karneval ein Brauch, der auf einer religiösen Tradition fußt: Vor der Fastenzeit, die am Aschermittwoch beginnt und an Ostern endet, wird noch ein letztes Mal so richtig gefeiert. Und wer will jetzt den Karnevalisten, die ihre Züge nachholen möchten, mit Kirche, Glauben und Religion kommen und ihnen das versagen? Würden sie den Karneval in die Fastenzeit legen wollen, bevor am Ostersonntag das eigentliche Fastenbrechen ansteht, wäre das noch verständlich. Aber das wollen sie nicht.
Selbst wenn man päpstlicher wäre als der Papst könnte man angesichts der tatsächlichen Pläne einfach mal christliche Tugenden wie Liebe und Barmherzigkeit für seine Mitmenschen gelten lassen, statt zu meckern. Aber päpstlicher sein zu dürfen als der Papst, das müsste man sich als Kritiker eines nachgeholten Karnevals erst einmal verdienen.
Wir diskutieren dieses Thema in einer Stadt, in der den christlichen Kirchen die Gemeindemitglieder schwinden. An Weihnachten sind die Gotteshäuser zwar übervoll. Aber Taufen, Kommunion, Konfirmation, kirchliche Riten und Feste nehmen an Bedeutung ab. Karneval ist für die meisten eher ein Fest, an dem sie sich verkleiden, sich mal richtig gehen lassen können. Die eigentliche Tradition halten die Karnevalsvereine hoch, die damit auch das Recht haben, mal einen kleinen Umweg zu gehen.
Und in Zeiten zunehmender extremer Wetterereignisse werden wir alle nicht nur beim Karneval in Zukunft deutlich flexibler sein müssen.