Wirtschaft in Krefeld Das fordert die Wirtschaft von der Politik
Krefeld · 2000 Unternehmen aus dem Kammerbezirk haben bei einer Befragung mitgemacht und die IHK Mittlerer Niederrhein hat die Erwartungen und Wünsche zusammengefasst.
Was erwartet die Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren von der Kommunalpolitik? Welche Weichen muss sie unbedingt für Krefeld stellen? Fragen, die die IHK Mittlerer Niederrhein im Vorfeld der Kommunalwahl am 13. September in ihren „Kommunalpolitischen Positionen“ beantwortet hat. Erstmals hat die Kammer die Stimme der Wirtschaft so konkret formuliert. 2000 Unternehmen im Kammerbezirk haben dabei mitgemacht. „Das zeigt, wie wichtig es den Unternehmern ist, mit ihren Erwartungen an die Kommunalpolitik gehört zu werden“, sagt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein.
„Die Wirtschaftspolitik soll in der kommenden Wahlperiode in unserem IHK-Bezirk wieder eine größere Bedeutung haben“, fügt er hinzu. Nur wer in Krisenzeiten die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessere, profitiere im Anschluss in besonderer Weise. Dass sich Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie in einer tiefen Krise befindet, ist für Steinmetz unstrittig. Das zeigen auch die Daten aus Krefeld. Nur 22 Prozent der Betriebe vermelden aktuell eine gute Geschäftslage. 44 Prozent bezeichnen ihre Situation als „schlecht“. Die Erwartungen seien ebenfalls pessimistisch: Nur 15 Prozent rechnen mit einer Verbesserung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten, aber 42 Prozent mit einer Verschlechterung. Eine Erholung erwarten viele frühestens Ende 2021.
Zeit also für die IHK Mittlerer Niederrhein, die Stimme der Wirtschaft zu erheben und sehr konkret Forderungen für die kommenden fünf Jahre an die Kommunalpolitik zu formulieren. Die Themenkreise Ausbildung, Innenstadt und Gewerbeflächen bewertet der IHK-Hauptgeschäftsführer als zentral. Forderungen gibt es zudem in Bezug auf Infrastruktur/Verkehr, Energiewende und den Wirtschaftsdezernenten.
Ausbildung
Die Zahl der Ausbildungsverträge lag Ende Juni in Krefeld bei 512, das ist ein Minus von 20,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. „Eine schwierige Situation“, sagt Jürgen Steinmetz. Bei den angebotenen Ausbildungsplätzen habe es dagegen nur ein Minus von neun Prozent gegeben. Derzeit seien noch 800 offene Lehrstellen gemeldet. „Viele Jugendliche können sich nicht entscheiden.“ Angesichts der aktuellen Corona-Situation sei dies durchaus verständlich. Man versuche derzeit, Rückstände aufzuholen.
Innenstadt
„Konzepte haben wir genug. Jetzt muss man einfach mal machen“, sagt Steinmetz zum Thema Innenstadt. Und dies sei aufgrund der Corona-Pandemie dringender denn je. Eine Auswahl konkreter Forderungen:
- Vier Wälle als Wahrzeichen von Krefeld herausstellen: Es bedarf eines Gesamtkonzeptes, das die Belebung, Attraktivität, Erkennbarkeit und Vermarktbarkeit der Wälle als Krefelder Alleinstellungsmerkmal erkennbar werden lässt.
- Debatte über alternative Nutzungen: Die Leerstandsquote in Krefeld ist hoch. Deshalb sollte zeitnah diskutiert werden, welche Bereiche der Krefelder Innenstadt weiterhin ausschließlich dem Handel zur Verfügung stehen sollen und in welchen Bereichen perspektivisch alternative Nutzungen ermöglicht werden sollen.
- Theaterplatz beleben: Die derzeitige Situation führt dazu, dass der Platz keine Aufenthaltsqualität hat. Im Zuge des Neubaus des Stadthauses nach einem Abriss des Seidenweberhauses bietet sich die Chance, einen Showroom der Hochschule Niederrhein einzugliedern und den Platz zu beleben.
- Umfeld des Hauptbahnhofs gestalten: Der Bahnhof ist das Einfallstor zur Innenstadt. er sollte perspektivisch die Funktion eines Mobilitäts-Hubs haben. Insbesondere im Bahnhofsumfeld sollten unsichere Räume abgebaut werden.
- Corona-Folgen: Die IHK plädiert dafür, durch zusätzliche verkaufsoffene Sonntage in diesem Jahr die Einkaufssituation zu entzerren und den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, wenigstens einen Teil der verlorenen Umsätze nachzuholen. Zudem fordert sie Krefeld auf, die Beteiligung am Soforthilfe-Programm des Landes zu prüfen, um unter anderem leerstehende Ladenlokale vorübergehend anzumieten.
Gewerbeflächen
„Die Krefelder Wirtschaft muss weiter wachsen können“, sagt Steinmetz. Da es nur noch wenig Potenzial für neue Flächenausweisungen gebe, sei es unerlässlich, dass die Potenzialflächen zeitnah in verbindliches Baurecht umgesetzt und Flächen perspektivisch gekauft würden. Eine Auswahl konkreter Forderungen:
- Gewerbegebiet Elfrather See: Dort sollen zeitnah die planerischen Voraussetzungen geschaffen und Flächenankäufe getätigt werden, damit das Areal schnell zur Verfügung steht.
- Interkommunales Gewerbegebiet Krefeld/Meerbusch: Der Standort ist laut IHK überregional bedeutsam. „Verwaltung und Politik der beiden Städte Krefeld und Meerbusch müssen verbindliche Verabredungen treffen, damit in die konkrete Planung eingestiegen werden kann.“ Der erste Spatenstich sollte 2025 erfolgen.
- Krefelder Hafen: Die IHK plädiert dafür, den Hafen weiterhin vorrangig für Industrie- und Logistikbetriebe zu reservieren. „Nachnutzungen von aufgegebenen Flächen im Hafen müssen sich an dieser besonderen Funktion des Hafens orientieren“, so die IHK und spielt damit auf das geplante Projekt Rheinblick an.
Infrastruktur/Verkehr
„Die Erreichbarkeit der Unternehmensstandorte bleibt Grundvoraussetzung für den Wohlstand unserer Volkswirtschaft“, fasst die IHK zusammen. Durch ihn sei die Verkehrswende erst finanzierbar. Eine Auswahl konkreter Forderungen:
- Ausbau der A57: Der sechsspurige Ausbau der Autobahn erreicht Krefeld. Baubeginn soll 2022 sein. „Wir erwarten von der Stadt, dass sie in Vorbereitung auf das Großprojekt ihr Straßennetz so gut vorbereitet, dass die notwendigen Ausweichstrecken zur Verfügung stehen.“
- Verbesserung des ÖPNV: Das Straßenbahnnetz solle besser genutzt werden. Eine Option biete die Verlängerung der Straßenbahnlinie 042 bis Willich. Auch die Einrichtung einer S-Bahnverbindung zwischen den Hauptbahnhöfen Krefeld und Düsseldorf würde zu einer Entlastung des Individualverkehrs beitragen.
- Straßenzustand verbessern: Es besteht dringender Handlungsbedarf, heißt es. Als Beispiele werden die Uerdinger Straße, St. Töniser Straße und Anrather Straße genannt.
Wirtschaftsstandort/Wirtschaftsdezernent
- Wirtschaftsdezernent: Jürgen Steinmetz lässt keinen Zweifel daran, dass er lieber einen hauptamtlichen Wirtschaftsdezernenten gesehen hätte. „Warum kann Eckart Preen nicht nebenberuflich Wirtschaftsförderer sein?“ Es gelte aber, nach vorn zu schauen. Preen und Oberbürgermeister Frank Meyer hätten die Latte sehr hoch gehängt. „Wir werden das überprüfen und nehmen es auf Wiedervorlage für Anfang 2021.“
- Aktionsplan Wirtschaft: Dieser müsse nun umgesetzt werden. Corona-bedingt gehe es derzeit aber langsamer voran.
- Gewerbesteuer: In Krefeld liegt der Hebesatz bei 480 Punkten. Außerhalb NRWs liege der Durchschnittshebesatz bei Kommunen in der Größe zwischen 200 000 und 500 000 Einwohnern bei 448 Punkten. „In den kommenden fünf Jahren sollte auf eine Senkung hingewirkt werden.“