Pfefferspray und Co. Das große Aufrüsten: Die kollektive Sorge um die eigene Haut

Pfefferspray und Co. verkaufen sich derzeit bestens: Jedoch ist es gar nicht so einfach zu verstehen, was dabei erlaubt ist und was nicht.

Sandra Albertz und Jörg Grothus vom Kommissariat Vorbeugung vor der Wache an der Hansastraße.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Es herrscht eine große Verunsicherung im Land und Verteidigungsmittel wie Pfefferspray, CS-Gas und kreischende Heuler sind Verkaufsschlager. Viele Frauen fühlen sich nicht mehr sicher. Aber was ist dabei eigentlich erlaubt und womit gefährdet man sich womöglich nur selbst? „Ich darf mich immer dann wehren, wenn die gegenwärtige Gefahr eines Angriffs besteht“, erklärt Jörg Grothus vom Kommissariat Kriminalprävention. Das heißt: Wer mit der Hand zum Schlag ausholt, der darf in seinem Angriff gestoppt werden. Hier greift das Recht der Notwehr, das allerdings nicht leicht zu verstehen ist.

Denn: „Natürlich darf ich mich auch dann verteidigen, wenn ich nicht gerade geschlagen, sondern zum Beispiel unangenehm angemacht werde“, so Grothus. Wer dann aber direkt zum Pfefferspray greift, der handelt unverhältnismäßig.

Denn wer einen Gegenstand zur Gewalteinwirkung gebraucht, der erfüllt immer den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung. Zu diesen Gegenständen zählen besagte Sprays und Elektroschocker, aber auch einfach mal ein Schlüsselbund. Einzig das Recht der Notwehr erlaubt, sie zum Schutz zu verwenden — unter engen Voraussetzungen.

Ob sie am Ende vorgelegen haben, entscheiden dann im Zweifel der Staatsanwalt und der Richter. Bedeutet das, dass Angegriffene sich im Moment der Attacke gut überlegen sollten, auf welche Weise sie sich verteidigen? „Auf keinen Fall“, sagt Oberstaatsanwalt Axel Stahl. „Sobald ein gegenwärtiger Angriff im Sinne des Notwehrrechtes vorliegt, darf der Verteidiger alles Erforderliche, was den Angreifer stoppt, also auch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, anwenden.“ Nur in den seltenen Fällen, in denen es mehrere Möglichkeiten zur Verteidigung gegeben habe, müsse der sich Verteidigende „das relativ mildeste Mittel wählen, um straffrei zu bleiben“, so Stahl.

Wer sich zur Verteidigung aufrüstet, ist also gut beraten, sich im Vorfeld auch über den rechtlichen Rahmen der Verwendung seiner Hilfsmittel zu informieren, um sich nicht selbst der Gefahr der Bestrafung auszusetzen. Grundsätzlich ist das Führen von Pfefferspray, solange es sich dabei um das zur Tierabwehr Gedachte handelt, erlaubt. Das CS-Gas unterliegt dem Waffengesetz und darf ab 14 Jahren geführt — also außerhalb der eigenen vier Wände mitgenommen — werden. Elektroschocker dürfen erst ab 18 Jahren geführt werden.

Bei allen öffentlichen Veranstaltungen, auch an Karneval, sind solche Verteidigungsmittel jedoch verboten. Bringen sie denn überhaupt auf der Straße mehr Sicherheit? „Jede Frau muss selbst wissen, womit sie sich sicher fühlt. Wir warnen ausdrücklich davor, dass gerade diese Verteidigungsmittel auch eine trügerische Sicherheit vermitteln. Wenn so etwas angeschafft wird, dann muss damit vorab unbedingt geübt werden“, betont Jörg Grothus. Deshalb empfehle die Polizei auch grundsätzlich keinen dieser Gegenstände.

Pfefferspray zum Beispiel schießt einen drei bis fünf Meter langen und dünnen Strahl ab, das CS-Gas erzeugt einen Nebel von etwa zwei Metern Reichweite und wirkt ähnlich wie Pfefferspray: Beide reizen die Schleimhäute und machen im Idealfall kampfunfähig.

Gelangt der Pfefferspray-Strahl nur auf die Kleidung, ist der Angreifer nicht beeinträchtigt. Und nicht nur das Zielen kann schiefgehen, das Döschen kann aus der Hand fallen oder sogar abgenommen und gegen einen selbst verwendet werden. Trügerisch kann die Sicherheit der Sprays und Schocker auch deshalb sein, weil das Gefühl, ein Stück Sicherheit in der Tasche zu haben, die Besitzer bestärkt.

Wenn es dann aber einmal vergessen wird, fühlen viele sich extrem unsicher. Darum sei es unbedingt wichtig, vor allem die körpereigenen Waffen zu schulen und immer vorsichtig zu sein, so Grothus. Er warnt auch, dass die allermeisten Fälle sexueller Gewalt im privaten Raum passierten.

Da helfe auch kein Spray in der Tasche. „Von diesen Fällen bekommt die Öffentlichkeit nur nichts mit, weil nach bekannten Tätern ja nicht öffentlich gefahndet werden muss“, sagt Grothus. Das Bild, dass an jeder Straßenecke ein potenzieller Angreifer lauert, ist schlichtweg falsch.

„Wir haben aus polizeilicher Sicht keine Hinweise darauf, dass sich Frauen in Krefeld nicht sicher bewegen können“, versichert Sandra Albertz von der Pressestelle der Polizei. Die kollektive Sorge sollte wieder einer realistischen Einschätzung weichen.