Hochwasser Vor 100 Jahren: Zwei Hochwasser und Glück gehabt

Uerdingen. · Die Stadt Krefeld rechnet nach eigener Aussage mit einem fallenden Rheinpegel ab Dienstag. Das Rheintor blieb am Wochenende geöffnet.

Das Hochwasser reichte in Linn bis zur Haustür.

Foto: Stadtarchiv Krefeld

Der Heilige Nepomuk am Giebel der in Uerdingen am Rheintor gelegenen Gaststätte Zur Krone (1705) blickt zur Zeit ganz gelassen auf den Rheinstrom, der es nicht wagt, sich aus seinem Bett zu erheben. Auch hat die Verwaltung das Tor inzwischen geöffnet und die schweren Balken wieder entfernt. Das war im Januar 1920, vor fast genau hundert Jahren also, ganz anders.

Damals gab es ein schweres Neujahrshochwasser und einige Wochen darauf ein noch schwereres. Die Hochwassermarken am im vorletzten Jahrhundert erneuerten Rheintor geben darüber Auskunft. Das Wasser in der vorletzten Januarwoche 1920 stand beim Pegel von 11,73 Metern. Nur 1926 erreichte das Hochwasser in Uerdingen den noch höheren Stand von 12,10. Im Jahr 1995 wurden 11,57 und zuletzt 1993 „nur“ noch 11,42 gemessen. Die legendäre Überschwemmung aus dem Jahre 1892 hatte einen Pegelstand von 12,38 erreicht. Somit stand damals das Wasser ganz knapp unter der Oberkante des Rheintors, wo der Pegel 12,70 misst.

Im Generalanzeiger für Krefeld und den Niederrhein berichtet in der Ausgabe vom 23. Januar 1920 Hubert Hentrich, Erbauer des Krefelder Rheinhafens und von 1900 bis 1926 Stadtbaurat und Beigeordneter Krefelds, über den Verlauf: „Selten oder wohl nie sind am Niederrhein zwei so gefährliche Hochwässer unmittelbar aufeinander gefolgt, wie die vom Neujahrstage und vom 18. Januar 1920. Das Hochwasser vom Neujahrstage hatte eine Pegelhöhe von 8,24 erreicht, lag also 1,22 unter dem Hochwasser von 1892, auf das alle neueren Wasserbauten am Rhein eingerichtet sind. Es ist in unserer Gegend durchaus glücklich verlaufen.

Dauernde Regengüsse sorgen am 12. Januar für eine neue Hochflut

Unter dauernden Regengüssen begann am 12. Januar eine neue Hochflut. Das Wasser stieg rasch und erreichte schon am 15. Januar den Stand des Neujahrshochwassers. Auch diese Flut verlief zunächst durchaus glücklich, bis am Freitag, 16. Januar, morgens um 4 Uhr in Ilverich, 10 Kilometer oberhalb der Mündung des Krefelder Rheinhafens, der acht Jahre vorher neu erbaute Ilverich-Lanker Deich durchbrach.“

Der Baurat berichtet weiter, dass 50 Meter Deich fortgespült und der Ilverich-Lanker Polder vollgelaufen ist. Er hatte keinen natürlichen Abfluss und lief über. Dadurch waren Krefelder Gebiete in Gellep, Linn und Uerdingen vom Wasser bedroht. Der Uerdinger Deichverband sorgte dann mit Hilfe der Feuerwehr dafür, dass eine Öffnung des Polders erfolgte und das Wasser seine zerstörerische Kraft verlor und abfließen konnte.

In der Zeitung wurde von den Befürchtungen für das Umland gesprochen. Es war die halbe Linner Flur überflutet, der Ort jedoch verschont geblieben. Nur weil die Häuser meist hochgelegen waren, sind nur einzelne Keller vollgelaufen.

Krefelder Rheinhafen ist kaum von dem Hochwasser betroffen

Der Krefelder Rheinhafen, so der Baurat, ist sehr gut davongekommen, denn er liegt einige Zentimeter über dem Hochwasserstand von 1882. Erhebliche Betriebsstörungen sind deshalb ausgeblieben. Auch in Uerdingen hielten sich die Schäden in Grenzen.

Klaus-Norbert Kremers vom Uerdinger Heimatbund hat in der Uerdinger Rundschau Nr. 10 von 2015 einen persönlichen Bericht veröffentlicht: „Durch die Lage unmittelbar am Rhein ist die Geschichte Uerdingens auch eine Geschichte des Hochwassers“. Bereits kurz nach der Stadtgründung im Jahr 1255 muss es zu einem solch katastrophalen Hochwasser gekommen sein, dass dies unter Erzbischof Siegfried von Westerburg (1275-1297) eine Westverlegung der ganzen Stadt  zur Folge hatte. Immer wieder kam es zu Überschwemmungen, und oft gab es in früheren Jahren schon mal einen umfangreichen Eisgang. Einige Mitbürger erinnern sich an den schlimmen Kriegswinter 1942, als man den Rhein an einigen Tag zu Fuß überqueren konnte. Dies ist wohlweislich danach nie mehr passiert. Kremers in seinem Bericht: „Ich selbst habe 1993 auf dem Deich liegend mit bloßer Hand in die Fluten greifen können. Dass es seit dem Deichbau 1855 keine nennenswerten Auswirkungen auf das Uerdinger Stadtbild mehr gegeben hat, verdanken wir dem Uerdinger Deich, der ständig auf dem neuesten Stand der Technik ist. Wie es die umfangreichen Arbeiten der Jahre 2014/2015 zeigen. Der aktuelle Deich bietet Schutz bis zum Pegel von bis zu 13,14 Metern. Dies entspricht in etwa einem Schutz vor einem 500-jährigen Hochwasser plus einer Sicherheitshöhe von einem Meter.“