Die verborgenen Orte der Burg Linn
Besucher dürfen in den alten Gemäuern nicht überall hin. Die WZ zeigt die geheimen Plätze.
Krefeld. Wer in Krefeld aufgewachsen ist, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit als Kind mal durch die Räume der Burg Linn geflitzt sein. Neu-Krefeldern werden ebenfalls nicht selten als allererstes Ausflugsziel die altehrwürdigen Mauern empfohlen. Kulturliebhaber finden sich regelmäßig zu Konzerten im oberen Rittersaal ein. Wenn man den von der steinernen Wendeltreppe aus betritt, fällt der Blick nicht selten auf dieses Schild, das den Zugang zu einer schmalen Treppe, hinten links von der Eingangstür aus, versperrt. . . Zutritt verboten, steht darauf. Wie auch an vielen anderen Stellen in der Burg. Aber was verbirgt sich dahinter? Die WZ hat sich dort einmal umgeschaut.
Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn, zur Instandsetzung der Ruine
Zusammen mit Museumsleiter Christoph Reichmann schauen wir uns die verborgenen Orte der mittelalterlichen Burg an. „Zunächst einmal muss man sich in Erinnerung rufen, dass unsere Linner Burg in den 30er Jahren noch eine völlig verfallene Ruine war“, betont Reichmann. „Der obere und der untere Rittersaal hatten keine Böden, teilweise keine Wände. Durch die Anstrengungen des Heimatforschers Albert Steeger wurde erst wieder ein begehbarer Ort daraus.“
Dennoch seien nicht alle Orte für Besucher bedenkenlos begehbar. So etwa diese Treppe, die aus dem oberen Rittersaal herausführt: Sie führt zum Dachboden, der übrigens erst 1993 entstand. Vorher hatte die Burg nur ein provisorisches Flachdach. Die Wendeltreppe dahin ist so schmal, so steil und so ausgetreten, dass der Aufstieg wirklich nicht einfach ist. Wer dann noch eine Kamera in der Hand hält oder eine Tasche dabei hat, der kann sich kaum festhalten, beziehungsweise bekommt Platzprobleme. Bewegungseingeschränkten Menschen ist der Zugang gänzlich unmöglich.
„Die Leute wären außerdem sehr schwer zu beaufsichtigen, wenn wir sie überall hinließen“, sagt Reichmann. Der Dachboden ist riesig, die Dimensionen lassen sich in dem wenigen Licht, das es hier gibt, nur erahnen. Truhen und andere Möbelstücke lagern hier. „Sobald das Kaiser-Wilhelm-Museum seinen Bestand wieder in die eigenen Räume zurückholt, wird auch für uns wieder externer Lagerplatz frei“, sagt Reichmann. Die Treppe zum Dachboden ist auch ein alter Zugang zum Batterieturm, dem alten Bergfried. Das war er so lange, bis der neue Bergfried, der große Turm, um das Jahr 1300 fertig wurde.
Der alte Batterieturm war auch der Sitz des kurkölnischen Amtsmanns, nach dem Brand in den 1580er Jahren zog dieser dann aber in das heutige Jagdschloss. Ursprünglich war das ein Back- und Brauhaus.
Auf der anderen Seite des oberen Rittersaals gibt es einen weiteren Treppenaufgang, der durch ein Betreten-verboten-Schild versperrt wird. Dahinter verbirgt sich das so genannte Kurfürstenzimmer, das nur für besondere Führungen und museumspädagogische Termine geöffnet wird. Auch dieses wurde von Steeger hergerichtet und möbliert. Ringsum stehen hochwertige Nachbildungen verschiedener mitteleuropäischer Rüstungstypen. „Vollrüstungen wurden eigentlich nur sehr kurz getragen, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts“, erklärt Reichmann. Und dennoch haben sie sich zum Symbolbild des Rittertums entwickelt.
Im Renaissancesaal rückt Reichmann einen schweren alten Holztisch zur Seite, öffnet eine Luke im Holzboden — und springt hinein. Jetzt schaut nur noch Kopf und Schultern heraus. „Das war das ursprüngliche Bodenniveau dieses Raumes“, erläutert Reichmann. „Hier finden sich noch die Überreste eines Abtrittes.“ Abtritt bedeutet nichts anderes als Toilette, beziehungsweise ein Loch in der Außenmauer.
So eine Luke im Holzboden findet sich auch im Boden der alten Waffenkammer im Batterieturm, die man vom Rittersaal im Erdgeschoss besichtigen kann. Zum Glück springt Reichmann hier nicht hinein, denn vier Meter geht es sicherlich in die Tiefe. Auf dem Boden des Turmes steht nicht viel: lediglich eine eiserne Feuerstelle.
Richtig unheimlich wird es aber erst jetzt: Christoph Reichmann öffnet das Gitter, das den Zugang von außen zum Verlies des Bergfrieds versperrt. Durch einen schmalen Gang, man kann sich kaum umdrehen, geht es bis zur Kante, an der eine Leiter hinab in den Kerker führt. Das elektrische Licht ist defekt, es gibt nur einen armdicken Lichtschacht etwas weiter rechts vom Zugang. „Durch den haben Angehörige mit Hilfe eines Seils Lebensmittel heruntergelassen“, erklärt Reichmann. Die Furche, die die vielen Seile hinterlassen haben, ist sehr tief. Und tatsächlich verspürt man keine Lust, den Abstieg über die Leiter zu wagen.
Die jahrhundertealte Geschichte des Turms hat immer noch unendlich viel Spannendes.