Drogenhilfe: Überleben ist das höchste Ziel

Unter strengen Auflagen verabreichen 16 Ärzte in Krefeld Methadon an 318 Abhängige.

Krefeld. Das Überleben seiner Patienten steht für Dr. Peter Arbter im Mittelpunkt seiner Arbeit, nicht deren Opiat-Abstinenz. Der Allgemeinmediziner ist 1989 der erste Arzt in Krefeld gewesen, der Heroinabhängige mit dem synthetischen Opiat Methadon behandelt hat. Seit 1993 bietet er für seine Berufskollegen bei der Akademie der Ärztekammer zusätzlich Seminare zum Thema Substitution an. „Alle Ärzte in Rheinland lernen das am Beispiel der Stadt Krefeld“, erklärt Arbter.

„Die Drogenhilfe hier ist vorbildlich“, betont Arbter. Und sie zeige Erfolg. Bei einer jetzt veröffentlichten Auswertung der im Jahr 2009 bei den Polizeibehörden gemeldeten Rauschgiftdelikte pro 10.000 Einwohner ist Krefeld bei 50 Städten wegen der Geringe auf Platz 15 gelandet, vor Düsseldorf und Frankfurt (50. Stelle) mit den meisten Delikten.

Für die Stadt Krefeld waren bei der Bundesopiumstelle zum Stichtag 1. März 2010 insgesamt 35 Ärzte gemeldet, die über eine suchttherapeutische Qualifikation verfügen. Davon sind im vergangenen Jahr 16 Ärzte tatsächlich in der Substitution tätig gewesen und haben insgesamt 318 Patienten überwiegend den Drogenersatzstoff Methadon als Medikament verabreicht.

„Zu Behandlungsbeginn erfolgt die Einnahme unter Aufsicht in der Arztpraxis“, erzählt Arbter. Ein Therapievertrag und eine Hausordnung regeln die vom Patienten zu erfüllenden Bedingungen. Dazu gehöre auch die klare Regel: Kein Alkohol bei der Ausgabe von Methadon. Jeden Tag erhalten die Drogenabhängigen zu einer bestimmten Zeit ihre Dosis, zwischen sechs bis zehn Milliliter. Das macht Arbter abhängig von den Ergebnissen der regelmäßigen Blutspiegelmessung.

Nach stabiler Medikamenteneinstellung und mindestens einem halben Jahr zuverlässiger Therapie erhält der Patient zunächst fürs Wochenende ein Rezept für seine Dosis (die sogenannte Take Home-Verordnung), die er ohne Aufsicht einnehmen darf.

Trotz dieser Ausgaberegelung beschlagnahmt die Polizei bei Razzien auf dem Theaterplatz regelmäßig Methadon. Die Frage, ob das aus Einbrüchen stamme, verneint Arbter: „Der Stoff kommt aus der Take-Home-Verordnung.“ Suchtabhängige wüssten genau, wo und wem sie was erzählen müssten, um an zusätzliche Mengen ranzukommen. „Dann verticken sie einen Teil der Dosis und kaufen sich davon Stoff (Kokain, Pillen, Alkohol).“

„Dieses Krankheitsbild verlangt eine hohe Frustrationstoleranz“, sagt Arbter. Nur zwölf Prozent aller Drogenabhängigen schaffen es mit viel Unterstützung, im Laufe ihres Lebens clean zu werden. „Rückfälle gehören bei dieser schweren chronischen Krankheit dazu.“ Selbst nach vielen Jahren der Abstinenz.

Die meisten der drogenabhängigen Patienten haben bereits in ihrer Jugend Cannabis und größere Mengen von Alkohol konsumiert. „Sie haben nicht gelernt, Gemütsschwankungen, starke Gefühle, Frust und Stress auszuhalten und meinen, nur mit der Einnahme eines Elixiers ihre Dinge regeln zu können“, erklärt der Mediziner. Die Verabreichung von Methadon sichere zunächst ihr Überleben und helfe, die psychosoziale Situation und gesundheitliche Verfassung zu verbessern. „Ein großer Erfolg ist schon, dass wir in Krefeld nur wenig Drogentote haben.“ Sieben waren es im vergangenen Jahr.