Interview Wir haben unser eigenes Ding gemacht

Köln · Das dritte Album des österreichischen Duos Cari Cari „One More Trip Around The Sun“ ist mehr als nur eine Sammlung von Songs, es ist eine Hommage ans Älterwerden, eine Liebeserklärung an die Familie und den Freundeskreis sowie ein Versprechen sich und den eigenen Werten treu zu bleiben.

Das Duo Cari Cari hat mit „One More Trip Around The Sun“ gerade sein drittes Studioalbum an den Start gebracht.

Foto: Band/Sophia Lavater

Am 17. April sind Stephanie Widmer und Alexander Koeck zu Gast im Kölner Gloria. Wir haben vorab mit dem Duo gesprochen.

Sie sind gerade in Nordamerika auf Tour. Welche Erfahrungen machen Sie dort beim Reisen und bei den Auftritten?

Stephanie Widmer: Es ist surreal. Wir fahren stundenlang durch riesige Landschaften, kommen in eine Stadt, in der wir noch nie waren – und trotzdem gibt es Menschen, die unsere Songs mitsingen. In Vancouver kam nach der Show jemand zu uns und meinte, dass er seit fünf Jahren auf den Moment gewartet hat, uns live zu sehen. In Austin hat ein Regisseur gesagt, dass unser Soundtrack ihn zu einer Filmszene inspiriert hat. Solche Erlebnisse sind Wahnsinn und zeigen uns, dass Musik eben keine Grenzen kennt.

Gibt es Unterschiede zu Deutschland, Österreich und Europa?

Alexander Koeck: Ja, das Publikum hier ist extrem direkt und offen. In San Francisco kamen nach der Show mehrere Leute zu uns und haben uns gesagt, was sie an unserem Sound lieben. Das ist in Europa anders, da reflektieren die Leute vielleicht mehr für sich. Ein weiterer Unterschied ist, dass es in Nordamerika normal ist, dass Musik von der Bühne dröhnt, während im Publikum wild getanzt wird. In Europa gibt es oft mehr diese Konzertmentalität – man hört aufmerksam zu und genießt es auf eine andere Weise. Wir mögen beides, es macht jede Show einzigartig.

Was macht den internationalen Erfolg von Cari Cari aus?

Widmer: Wir haben von Anfang an nicht versucht, uns an eine bestimmte Szene anzupassen, sondern unser eigenes Ding gemacht. Als wir unsere ersten Songs veröffentlicht haben, wurden wir auf einmal in Australien im Radio gespielt – obwohl wir aus Österreich kommen. Dann kam unsere Musik in Netflix-Serien, in Kinofilme, in einen Werbespot für Guinness. Vieles ist ganz organisch passiert. Wir denken, dass unser Sound eine Art von Fernweh transportiert, das Menschen weltweit anspricht. Diese Mischung aus Wild-West-Vibes, psychedelischen Elementen und minimalistischen Beats hat sich irgendwie international durchgesetzt.

Was können die Kölner Fans beim Konzert im Gloria erwarten?

Koeck: Eine Show, die dich mitnimmt, als wärst du in einem Tarantino-Film. Unser Ziel ist es, dass man sich nach dem Konzert fühlt, als hätte man eine Reise durch verschiedene Welten hinter sich. Wir spielen Songs vom neuen Album, aber auch ein paar ältere Stücke in neuen Versionen. In Portland haben wir letztens eine unveröffentlichte Akustik-Version von Summer Sun gespielt – vielleicht gibt es so etwas auch in Köln. Wir lieben es, mit den Setlists zu experimentieren.

Welche persönliche Beziehung haben Sie zu Köln und zum Gloria?

Widmer: Köln ist für uns eine Stadt mit extrem viel Herz. Unser erstes Konzert hier war 2018 im Yuca. Seitdem lieben wir die Leute hier. Wir haben das Glück, mit einigen Kölner Bands befreundet zu sein, die uns zu riesen Konzerten als Vorband eingeladen haben: Mit Annenmaykantereit haben wir zwei Mal in der Lanxess-Arena gespielt, Bukahara haben uns für drei Abende zu ihren Südbrücke Open Airs eingeladen. Da hatten wir auch Zeit die Stadt kennenzulernen. Das rheinische Gemüt ist wirklich toll. Das Gloria ist natürlich eine legendäre Venue, in der schon so viele großartige Künstler gespielt haben. Da auf der Bühne zu stehen, ist ein Privileg.

Wie sind die Songs für das neue Album entstanden?

Widmer: Ganz unterschiedlich. Manche sind in total spontanen Sessions entstanden, andere haben sich über Jahre entwickelt. Wir haben versucht, uns viel Freiraum zu geben, um wirklich neue Klangwelten zu erschaffen. Viele Ideen kamen von Reisen, Eindrücken, Begegnungen – wir wollten diese Energie einfangen.

Wie unterscheidet sich das inzwischen dritte Studioalbum von seinen beiden Vorgängern?

Koeck: Wir haben uns noch mehr getraut, extreme Kontraste zuzulassen. Unser erstes Album Anaana war sehr roh, fast Lo-Fi. „One More Trip Around The Sun“ ist filmischer, aber auch verspielt und experimentell. Wir haben zum Beispiel eine alte Heimorgel verwendet, die wir auf einem Flohmarkt in Wien gefunden haben. Vor allem aber haben wir versucht, uns nach außen zu öffnen. Wir haben Freunde eingeladen mitzumachen: Da spielt mal Avi von Bukahara Geige auf My Hometown oder unser Freund Filous Klavier auf einem anderen Stück. Es war der Versuch auch musikalisch, alle Leute, die wir lieben zusammen zu bringen.

Was ist die wichtigste Botschaft des Albums, das mehr sein möchte als nur eine Sammlung von Songs?

Koeck: Es geht um das Vergehen der Zeit, um das Gefühl, ständig in Bewegung zu sein, und um den Versuch, im Hier und Jetzt zu bleiben. „One More Trip Around The Sun“ reflektiert diesen ständigen Kreislauf aus Aufbruch, Veränderung und Heimkehr. Die Erkenntnis, dass es am Ende nicht um das Ziel geht, sondern um die Reise selbst, zieht sich wie ein roter Faden durch das Album.

Wie gehen Sie selbst mit dem Älterwerden um und welche Bedeutung haben Familie und der Freundeskreis für Sie?

Widmer: Es ist verrückt, dass wir mittlerweile über zehn Jahre Musik machen. Wir sind in dieser Zeit gewachsen, haben uns verändert, aber eine Sache ist konstant geblieben: Unser engster Kreis gibt uns Halt. Familie und Freunde sind die, die einen wieder auf den Boden holen, wenn man sich in dieser verrückten Musikindustrie verliert.

Was macht den Sound von Cari Cari aus?

Koeck: Reduktion. Wir arbeiten viel mit Stille, mit Luft zwischen den Noten. Manchmal klingt ein Song nur deshalb intensiv, weil er Platz hat. Dann kommen Elemente dazu, die man nicht unbedingt in einer Rockband erwartet – Didgeridoo, Maultrommel, Field Recordings. Auf dem neuen Album haben wir zum Beispiel Naturgeräusche aus der Toskana verarbeitet. Es geht uns immer darum, eine eigene Klangwelt zu schaffen.

Inwiefern ist Ihre Band ein echtes Familienunternehmen, das alle Fäden selbst in der Hand behält?

Koeck: Wir machen fast alles selbst – vom Merch-Design bis zur Produktion der Platten. Unser erstes Album haben wir in einem Kellerstudio selbst aufgenommen, weil wir damals kein Budget für ein großes Studio hatten. Diese DIY-Mentalität haben wir beibehalten. Wir haben gelernt, dass es manchmal besser ist, Dinge auf eigene Faust zu machen, als sich von großen Labels reinreden zu lassen.

Wie wichtig ist es für Musiker, in der schwierigen, heutigen Zeit für die eigenen Werte einzustehen und Missstände auch in der eigenen Branche öffentlich in den Fokus zu nehmen?

Widmer: Unfassbar wichtig. Es gibt so viele Dinge in der Musikindustrie, die nicht fair sind – sei es die Bezahlung von Künstlern durch Streaming-Plattformen oder die Art, wie Frauen in der Branche behandelt werden. Wir haben selbst erlebt, wie es ist, unterschätzt zu werden, weil man als Indie-Band alles selbst macht. Wir versuchen, uns nicht verbiegen zu lassen und unseren eigenen Weg zu gehen. Und wenn wir mal unbequem sein müssen, dann ist das eben so.

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