Grundsteuer: Teuer Wohnen wird noch teurer
Die Berechnung der bisherigen Grundsteuer ist verfassungswidrig. Eine Neuregelung hat Folgen für Stadt und Bürger. Experten von Haus und Grund sowie dem Mieterschutzbund fürchten extreme Mietunterschiede.
Klar ist, dass nichts klar ist. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche die Berechnung der Grundsteuer nach bisherigem Modell für verfassungswidrig erklärt hat, dürften sich auch die Krefelder Eigentümer und Mieter Fragen stellen, wie: Betrifft es auch mich? Muss ich nun mehr zahlen, oder werde ich entlastet?
Verlässliche Antworten zu finden, ist derzeit schwierig. „Es ist gut, dass es nun ein Urteil gibt. Und wir können schon jetzt sagen: Jeder in NRW und Deutschland wird die Veränderungen zu spüren bekommen“, sagt Peter Heß vom Mieterschutzbund Niederrhein der WZ. Wie diese Veränderungen aussehen werden, ist allerdings völlig unklar. Für alle 35 Millionen Grundstücke in Deutschland müssen neue Werte bestimmt werden.
In Krefeld betrifft das 74 140 Fälle der sogenannten Grundsteuer B, also bebaute und bebaubare Grundstücke. Im Westen der Republik stammen diese Werte aus dem Jahr 1964. Nach 54 Jahren heißt es also: alles auf Anfang. Oder zumindest bald. Denn die Bundesregierung hat bis Ende 2019 Zeit, die Berechnung der Grundsteuer gesetzlich neu zu regeln. Bis Ende 2024 müssen die neuen Werte zur Grundlage für die Steuer werden.
Mögliche Modelle gibt es einige. Peter Heß’ Namensvetter Michael Heß von Haus und Grund Krefeld plädiert für eine „möglichst rasche und einfache Lösung“, die die Grundstücksflächen zur Grundlage der Berechnung heranzieht. Doch auch mit dieser Methode ist es wahrscheinlich, dass die Höhe der Grundsteuer von der Lage abhängen wird. „In Bockum oder im Musikerviertel wird es extremer werden, vielleicht sogar um das fünf- oder sechsfache teurer“, vermutet Michael Heß. Auch Roman Bühner-Lomberg sieht diese Entwicklung auf Krefeld zukommen. Der Geschäftsführer von Lomberg-Immobilien fürchtet, dass „die Schere weiter auseinandergehen wird“, wenn Eigentümer die Steuer auf die Mieter umlegen.
„Es könnte zu einer richtigen Quartiersbildung kommen, die sich letztlich nach dem Einkommen richtet. Auch hier in Krefeld.“ Denn wenn es in exponierten Lagen teurer wird, dürfte es im unteren Preissegment in Randlagen günstiger werden. Für Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern belief sich die Steuer für ein Grundstück mit Einfamilienhaus 2015 auf durchschnittlich 577 Euro im Jahr. Für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus lag sie bei 229 Euro.
Interessant wird auch, ob im neuen Gesetzesentwurf Eigentümer, die ihr Grundstück brach liegenlassen, stärker zur Kasse gebeten werden. „Es muss Spekulanten an den Kragen gehen“, fordert Peter Heß vom Mieterschutzbund: „Wer Wohnraum hat und diesen leerstehen lässt, darf keine Erleichterungen genießen. Das sind Geschäfte auf dem Rücken der Bedürftigen.“
Michael Heß von Haus und Grund sieht allerdings auch die negativen Folgen dieser möglichen Neuregelung: „Handwerkerfirmen würden Probleme bekommen, wenn ihr Fuhrpark, der in der Theorie ja auch brach liegt, nun hoch besteuert werden würde. Und was wird aus Oma Müllers Obstbaumgarten: Muss der nun bebaut werden?“ Auch für die Stadt Krefeld wird das neue Gesetz Auswirkungen haben, stellt die Grundsteuer neben Gewerbesteuer und Einkommenssteuer doch eine der wichtigsten Einnahmen dar.
In diesem Jahr werden die Städte und Gemeinden voraussichtlich mehr als 14 Milliarden Euro aus der Grundsteuer einnehmen. Krefeld rechnet mit 47 760 000 Euro. Aufgrund der fünfjährigen Übergangsregelung allerdings erwartet die Verwaltung „bis auf Weiteres noch keine finanziellen Auswirkungen für den städtischen Haushalt“.