Interview: Gerda Schnell legt ihr Amt nieder
Die Bezirksvorsteherin Mitte will den Vorsitz in jüngere Hände geben.
Mitte. Es ist ein Paukenschlag. Gerda Schnell, die unnachahmliche Bezirksvorsteherin Mitte, legt ihr Amt überraschend nieder. Im WZ-Interview erklärt die quirlige Seniorin, warum. Und vor welchen Herausforderungen „ihr“ Bezirk Mitte 2018 steht.
Frau Schnell, Sie wollen Ihr Amt als Bezirksvorsteherin zum 21. Juni niederlegen. Warum?
Gerda Schnell: Schon bei den Vorbereitungsgesprächen zu der heutigen Koalition hatte ich erklärt, nach zwei Dritteln der Amtszeit die Funktion der Vorsitzenden niederlegen zu wollen, um sie in jüngere Hände übergehen zu lassen. Die Zeit ist jetzt gekommen. Ich bleibe der Bezirksvertretung aber erhalten. Auch als „einfaches“ Mitglied werde ich mich nach Kräften für die Innenstadt und ihre Bürger einsetzen, und ich freue mich, künftig mehr Zeit für die Sacharbeit zu haben.
Welche besonderen Herausforderungen bringt das Jahr 2018 für die Bezirksvertretung Mitte?
Schnell: Es gibt auch in unserer Innenstadt einige Bereiche, in denen sich die Bürger nicht mehr sicher fühlen, wo die Wohnverhältnisse und das soziale Umfeld nicht mehr stimmen, wo sich kaum noch einer um Sauberkeit, Pflege und um seine Nachbarn kümmert. Da geht es unweigerlich bergab. Dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist eine große Herausforderung für uns alle.
Es steht die Entscheidung an, was mit dem Seidenweberhaus geschehen soll. Was sagen Sie: Abriss oder Sanierung?
Schnell: Als Innenstadtpolitikerin möchte ich die „gute Stube“ der Seidenstadt natürlich am liebsten bei uns in der City behalten. Wenn das Seidenweberhaus auch aus der Vogelperspektive hui ist, so ist es doch unbestreitbar von unten pfui. Begrüßen würde ich daher den Abriss zugunsten eines architektonisch und städtebaulich anspruchsvollen, in seiner Qualität zu Stadttheater und Mediothek passenden Neubaus. Im Verbund mit der von vielen Seiten geforderten Verkehrsberuhigung der St.-Anton-Straße sollte das auch zur Lösung der heutigen Probleme auf dem Theaterplatz beitragen.
Mitte ist nun nicht die herausragende Wohnlage in Krefeld. Wie kann Wohnen attraktiver gestaltet werden?
Schnell: Sobald das Forum Krefeld an der St.-Anton-Straße fertig ist, wird der darin befindliche Supermarkt zu einer spürbaren Verbesserung der zur Zeit unzureichenden Nahversorgung der Innenstadtbewohner führen, was übrigens auch mir persönlich das Leben erleichtern wird. Zudem ist die Stadt jetzt endlich in der Lage, sogenannte Schrottimmobilien zu erwerben, um sie abzureißen oder zu sanieren. Problematische Viertel können davon profitieren und werden dadurch mittelfristig interessanter nicht nur für potenzielle Mieter, sondern auch für Investoren, die sich dem Wohnungsbau verschrieben haben. Bedauerlicherweise wissen nicht alle Eigentümer von Immobilien, dass sie sich im Stadtumbau-Büro an der Friedrichstraße 25 zu bereitstehenden Fördermitteln, etwa für Fassaden- oder Hofsanierung, beraten lassen können.
Ein Wort zur Königsburg. Es gibt nicht wenige Menschen, die halten sie für schützenswert.
Schnell: Weder die bisherige Kult-Disco noch der angedachte Parkplatz vertragen sich mit dem Kinderspielplatz auf dem Max-Petermann-Platz, dessen Sanierung für das nächste Jahr ansteht. Dagegen könnte ich mich mit Wohnbebauung — etwa für junge Familien — an dieser Stelle durchaus anfreunden.
Wann geht es mit der Gestaltung des Dr.-Hirschfelder-Platzes weiter?
Schnell: Am liebsten morgen. Wir Bezirksvertreter warten ungeduldig auf das schon vor Jahren angekündigte zweistufige Moderationsverfahren, bei dem nach dem Willen der Politik sowohl der Handel als auch die Anwohner und die Bürgervereine mit am Tisch sitzen sollen.
Sogar die Werbegemeinschaft ruft nach einem Alkoholverbot in der City. Was halten Sie davon?
Schnell: An einigen neuralgischen Punkten mag das Sinn machen, aber ich halte es für überzogen, eine solche Maßnahme auf die gesamte Innenstadt ausdehnen zu wollen.
Worauf freuen Sie sich für die Zukunft?
Schnell: Die lange versprochene Sanierung der Philadelphiastraße rückt in greifbare Nähe, darüber freue ich mich gemeinsam mit den seit Jahrzehnten geplagten Anwohnern. Ich bin erleichtert, dass unser Stadtbad, einst das schönste Jugendstilbad in ganz Deutschland, offenbar nicht mehr vom Abriss bedroht ist. Es wäre großartig, wenn man eines Tages wieder dort schwimmen könnte. Ganz besonders froh macht mich der einstimmige Beschluss der Bezirksvertretung Mitte, in diesem Jahr eine Wildblumenwiese irgendwo in unserem Zuständigkeitsbereich anlegen zu lassen und aus unseren Verfügungsmitteln zu finanzieren. Angesichts des dramatischen Insektensterbens ein Beispiel, das Schule machen sollte. Was den Bienen nützt, ist auch gut für die Menschen.