Häusliche Gewalt: Keine Unterbringung für gewalttätige Senioren
Krefeld. Notrufe bei häuslicher Gewalt sind immer brenzlige Einsätze für die Polizei. Manchmal jedoch stoßen auch erfahrene Beamten an ihre Grenzen: Eine 88-jährige Ehefrau alarmiert die Polizei, weil ihr Mann massiv gewalttätig gegen sie wird.
In anderen Fällen werden die Schläger für ein paar Tage der gemeinsamen Wohnung verwiesen. In diesem Fall ist der 90-jährige Täter schwer an Demenz erkrankt und hat einen künstlichen Darmausgang. „Für solche Fälle brauchen wir dringend eine angemessene Unterbringungsmöglichkeit“, sagt Ute Nöthen-Schürmanns, Opferbeauftragte der Polizei. Die fehlt bisher in Krefeld.
Der Arbeitskreis „Häusliche Gewalt“ und die von der Gesundheitskonferenz eingerichtete Arbeitsgruppe „Häusliche Gewalt und Gesundheit“ haben sich dieses Themas ebenso angenommen wie die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG). Gemeinsam arbeiten sie im „Krefelder Netzwerk gegen Häusliche Gewalt“ derzeit an einer praktikablen Lösung. Ratsfrau Doris Nottebohm unterstützt das Anliegen und hat im Namen der SPD für die Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses am heutigen Donnerstag einen Sachstandsbericht von der Verwaltung erbeten.
„Wir helfen aus polizeilicher Sicht, wenn häusliche Gewalt vorliegt, aber wissen in solchen Fällen nicht wohin vorübergehend mit dem renitenten Kranken“, sagt Nöthen-Schürmanns. Die Opferbeauftragte ist deshalb gleichzeitig auch eine der beiden Koordinatorinnen der PSAG-Projektgruppe.
Den Dementen einfach nur der Wohnung verweisen, ginge nicht. Ebenso wenig wie eine vorübergehende Unterbringung in einer psychiatrischen Fachklinik. Dazu bedarf es eines richterlichen Beschlusses nach dem Psych-Kranken-Gesetz. Auf der anderen Seite müsse aber das Opfer, in dem Fall die pflegende Ehefrau, vor der Gewalt geschützt werden.
„Wir brauchen in Krefeld so etwas wie einen kurzzeitigen Platz in einem geeigneten Altenheim oder einer Fachklinik mit angegliederter Gerontopsychiatrischer Abteilung“, erklärt die Kriminalhauptkommissarin. Für ein paar Stunden oder maximal paar Tage. Bisher scheitere das an der Übernahme der Kosten.
In einigen Fällen konnte das Alexianer-Krankenhaus helfen, hier vor allem die Beratungsstelle für Alterserkrankungen. Deren Leiter Dirk Bahnen hat sich auf dieses Thema spezialisiert. Nothen-Schürmanns: „Es geht darum, die Gewalt in den eigenen vier Wänden zu unterbrechen.“ Vor allem alte Menschen wissen gar nicht, welche zusätzlichen Hilfen es gibt und welche ihnen zustehen. Dazu zählt der Einsatz eines Betreuers oder auch der eines ambulanten Pflegers.
Dass von gebrechlichen alten, an Demenz erkrankten Menschen eine Gefahr ausgehen kann, ist für das Gros der Gesellschaft kaum vorstellbar. Eine umfangreiche Studie in Baden-Württemberg hat diese Erscheinung in 60 Altenheimen untersucht. Fast drei Viertel der Senioren dort leiden unter einer mittleren bis schweren Demenz. 37 Prozent von ihnen zeigten innerhalb des Beobachtungszeitraums von zwei Wochen aggressives Verhalten in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen.
„Doch nicht nur Gewalttätigkeit, auch Orientierungslosigkeit ist ein großes Problem für uns“, sagt Nothen-Schürmanns. Während die Polizei die Identität eines aufgegriffenen, orientierungslosen Menschen oft stundenlang herauszufinden versuche, müsse dieser angemessen untergebracht, häufig hygienisch versorgt und mit genügend trinkbarer Flüssigkeit bedient werden. Das Polizeipräsidium ist dazu nicht der richtige Ort, die Polizisten nicht für eine solche Betreuung ausgebildet und zuständig. Ihr Appell: „Wir brauchen in Krefeld dringend verlässliche Strukturen für solche Situationen.“