Meinung Hartz IV-Auszahlung - Würdelos an der Rewe-Kasse
Die Agentur für Arbeit in Krefeld will eine Pilotstelle für ein Hartz IV-Projekt werden. Die Auszahlung von Hartz IV an der Supermarktkasse ist eine moralische Totgeburt, meint der Krefelder Redaktionsleiter Michael Passon.
Es ist ja schön und löblich, wenn sich Krefelds Arbeitsagentur dabei hervortun möchte, ihre Bundesbehörde bei der Innovation und Modernisierungvon Prozessen zu unterstützen. Schlimm ist, dass die Krefelder Verantwortlichen offenbar tatsächlich daran glauben, das Richtige zu tun. Die Auszahlung von Hartz IV an der Supermarktkasse ist eine moralische Totgeburt. Der Leistungsbezieher gibt künftig mit einem Zettel — für jedermann offensichtlich — seine Menschenwürde an der Rewe-Kasse ab.
Dabei geht es nicht mal um den Regelbezug, der weiterhin über Girokonten abgewickelt wird, die in unserem Lande jedermann zustehen. Es geht in erster Linie um Notsituationen, in denen ein Vorschuss benötigt wird. Wenn zum Beispiel die Kaffeemaschine kaputtgeht und gleichzeitig die Klassenfahrt des Jüngsten ansteht. Oder die Winterjacke bei null Grad ein irreparables Loch aufweist. Gibt’s nicht? Alltag ist das in HartzIV-Familien, in denen heute jeder fünfte Krefelder lebt.
Sich in solchen Situationen bei 20 Zentimeter Abstand zu den anderen Kunden mit einem Zettel an einer Supermarktkasse anzustellen, womöglich direkt vor seinem Nachbarn, gleicht einem Zoobesuch auf der anderen Seite des Zauns.
Wem die neue Regelung wirklich hilft, ist zudem nicht klar. Der Leistungsbezieher macht künftig Gänge. Einen in die Agentur, um den Zettel zu holen, einen in den Discounter. Die Agentur will sparen. Wie viel, sagt sie nicht. Von 800 000 Euro ist die Rede. Ein Spottpreis für die Menschenwürde von Millionen von Kunden.
In Krefeld sagen sie ja, das habe mit Würde nichts zu tun. Empathie wie eine Autopresse. Wir möchten lieber nicht wissen, welches Bild die Behörde von ihren Kunden hat.