Hebammen überlastet Warum Geburtsbetreuung in Krefeld zur Glückssache geworden ist

Krefeld · Nur 26 Hebammen begleiten in Krefeld mehr als 2000 Geburten pro Jahr. Und auch im Wochenbett bleiben viele Frauen mit ihren Problemen und Fragen alleine.

Anja Schennach ist Vorsitzende des Hebammen-Kreisverbandes Krefeld und bezeichnet die Betreuung für werdende Mütter als Glückssache.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die Klassenräume an den Krefelder Schulen reichen nicht aus, geburtenstarke Jahrgänge und berufliche Verpflichtungen der Eltern sorgen für andauernde Engpässe bei den Kita-Plätzen – aber tatsächlich beginnt der Betreuungsmangel für die Familien bereits viel früher. Nämlich ganz am Anfang, bei der Geburt der Kinder.

65 Hebammen arbeiten nach Auskunft der Stadt derzeit noch in Krefeld, davon 26 als festangestellte am Helios und 39 freiberufliche Hebammen – Stand 2018/19. Dem standen zuletzt mehr als 2000 Geburten pro Jahr gegenüber.

„Tatsächlich kommen in die Krankenhäuser mit Entbindungsstation auch Frauen aus dem Umland zur Geburt“, so Stadtsprecherin Angelika Peters. Diese Kinder seien in den Zahlen nicht erfasst. „Dafür aber Kinder mit Wohnsitz in Krefeld, die in anderen Städten geboren wurden.“

Für die eigentliche Geburtsbegleitung sind nur die 26 Klinik-Hebammen relevant. „Es gibt in Krefeld keine Beleghebammen mehr, oder solche, die noch Hausgeburten betreuen“, sagt Anja Schennach, zweite Vorsitzende des Hebammen-Kreisverbandes Krefeld. In Mönchengladbach gebe es noch eine Hebamme, die Hausgeburten anbiete, aber da müsse man sich schon sehr, sehr früh melden.

Anja Schennach: „Die Hebammen sind schon sehr überlastet“

„Es ist bitter, dass das nicht mehr möglich ist“, sagt die 46-Jährige. Ende der 70er Jahre hätten Frauen noch dafür gekämpft, den Geburtsort frei wählen zu können. Dass Frauen heute nur noch in der Klinik entbinden können, sei ein „Rückschritt“.

Und auch die Bedingungen, die sich den Frauen bei der Geburt im Krankenhaus bieten, sind häufig alles andere als optimal: „Die Hebammen in den Kreißsälen sind schon sehr überlastet“, so Schennach. Dafür sprechen auch die Zahlen: 26 Hebammen für 2000 Geburten, die sich auch nicht unbedingt schön gleichmäßig übers Jahr verteilen. Wie intensiv da die einzelne werdende Mutter betreut werden kann, sei für die Betroffenen meist „Glückssache“, so Schennach. Ebenso, ob die Schichten der Hebammen während der Geburt wechseln.

Natürlich trifft Anja Schennach in der Nachbetreuung nicht nur auf unglückliche Mütter. „Viele sind auch zufrieden“, sagt sie. Aber viele seien auch traumatisiert, fühlten sich schlecht betreut oder bemängelten, dass man keine Zeit für die gehabt habe. Und dieses Problem setzt sich nach der Geburt fort.

39 freiberufliche Hebammen gibt es in Krefeld, die sich vor der Geburt beispielsweise mit Vorsorgeuntersuchungen und Geburtsvorbereitungskursen um die Schwangeren kümmern und sie und ihr Kind nach der Geburt im Wochenbett betreuen. Auch die Hebammen in den Kliniken böten zum Teil Vor- und Nachbetreuung an, aber aufgrund des Mangels in den Kreißsälen, werde dies immer weniger, so Schennach.

Sie selbst kümmere sich um sechs bis acht Frauen im Monat, manche Kolleginnen übernähmen auch noch mehr. Dennoch müsse sie immer mehr Frauen absagen. „Eine ganze Menge Frauen werden nicht betreut“, so Schennach. Was das für sie bedeutet? „Sie tun sich häufig schwer, besonders mit dem Stillen.“ Viele Frauen gingen in ihrer Not mit ihren Problemen zum Gynäkologen oder Kinderarzt. Oder sie landeten mit einer Brustentzündung in einer Klinik.

„Das System liegt im argen“, fasst Schennach zusammen. „Ich hoffe dennoch, dass sich das nochmal ändert. Die Frauen von heute müssen jetzt aktiv werden, damit ihre Töchter es einmal besser haben.“ Denn die Mühlen der Politik mahlten langsam und es interessierten sich meist nur Leute für das Thema, die akut davon betroffen sind. „Ich hoffe, dass ein Ruck durch die Gesellschaft geht, auch wenn wir ein kleiner Berufsstand sind.“ Aber einer von großer Bedeutung.