Historie: Erst Giftgas, dann Nobelpreis
Walter Nernst war einer der führenden Köpfe für Entwicklung und Einsatz von C-Waffen im 1. Weltkrieg.
Krefeld. Bei der Suche nach heute noch vorhandenen Spuren des 1. Weltkriegs (1914-1918) in unserer Stadt stößt man auch auf den Namen Walter Nernst (1864 -1941). Nach ihm wurde im Dießem 1922 die gleichnamige Straße benannt, die vom Voltaplatz Richtung Süden führt. Nernst war einer der Väter des Giftgaseinsatzes an den deutschen Fronten im Westen wie im Osten. Die Alliierten antworteten später mit ähnlich schrecklichen Waffen.
In den ersten Kriegsmonaten überlegte der deutsche Generalstab, wie eine bei längerer Kriegsdauer zu befürchtende „Sprengstofflücke“ kompensiert werden könne. Fachleute hatten schon 1914 vorgeschlagen, ohnehin bei der Sprengstoffproduktion anfallende Vorprodukte wie etwa Chlorgas als chemische Waffen einzusetzen.
Walther Nernst, einer der führenden deutschen Chemiker, sagte seine Mitarbeit zu und gewann für das Vorhaben außerdem Carl Duisberg, Chef der Farbenfabriken Bayer in Leverkusen. Das Kriegsministerium setzte im Oktober 1914 die Nernst-Duisberg-Kommission ein, zu der auch Fritz Haber gehörte.
Haber drängte auf Chlor, da es sehr giftig und in ausreichenden Mengen verfügbar war. Die BASF in Ludwigshafen konnte so das in hohen Mengen anfallende Chlorgas gewinnbringend verwerten. Die Tagesproduktion an Chlor betrug zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Tonnen.
Das folgende Datum gilt gesichert als Beginn des Gaskrieges, dem in der zweiten Flandernschlacht bei Ypern tausende alliierte Soldaten zum Opfer fielen. Am 22. April 1915 um 18 Uhr konnte das Chlorgas bei Nordostwind in Richtung der feindlichen, französischen Stellungen „abgeblasen“ werden. Den Befehl zum Einsatz gab General Berthold Deimling, vor Ort technisch unterstützt durch Haber und weitere Wissenschaftler. Deimling wurde als ‘Schlächter von Ypern’ bekannt.
Seine Truppen ließen bei „günstiger“ Windrichtung 150 Tonnen Chlorgas abblasen. Es bildete sich eine sechs Kilometer breite, 600 bis 900 Meter tiefe Gaswolke, die auf die französischen Truppen zutrieb. Die Folge waren mehrere tausend Mann Verluste auf alliierter Seite und ein Mehrfaches an Schwerverletzten.
Bald nach der Kapitulation des Kaiserreichs am 11. November 1918 machten „Listen der Kriegsverbrecher“ zur Auslieferung gesuchter Personen, verfasst von den Alliierten, die Runde. Walter Nernst gehörte mit Carl Duisberg und Fritz Haber zu denjenigen, die darin meist an vorderster Stelle angeführt waren.
Nernst setzte sich 1919 ähnlich wie Haber zunächst nach Schweden, dann in die Schweiz ab. Zur Verantwortung gezogen wurde niemand von ihnen. Der Grund ist darin zu sehen, dass auch auf Seiten der Alliierten in ähnlichem Umfang Verstöße gegen Kriegs- und Völkerrecht vorgekommen waren.
Zwei Jahre nach Kriegsende, 1920, erhielt Nernst für seine Arbeiten in der Thermochemie den Nobelpreis für Chemie. Unter belgischer Besatzung und zu Beginn der Inflation wurde 1922 in Krefeld durch Oberbürgermeister Johannes Johansen die Straße nach Walter Nernst benannt.