Hülser betet, dass Familie dritten Gaza-Krieg überlebt

Über das Internet verfolgen Awad Adushihab und seine Töchter mit Sorge das Geschehen im Nah-Ost-Konflikt.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Awad Abushihab blickt auf sein Handy und schüttelt den Kopf. Neben ihm sitzen in seinem Haus in Hüls seine Töchter Rascha (36), Jehan (32) und Aziza (26). Alle tragen T-Shirts mit Peacezeichen-Aufdruck und der palästinensischen Flagge darauf. „Unsere Gedanken sind bei den Verwandten im Gazastreifen“, sagt der 68-jährige Awad, der 1945 in Bani Suheila, damals noch ein kleines Dorf im südlichen Gazastreifen, zur Welt kam.

Über soziale Netzwerke verfolgt die Familie gemeinsam täglich das Leid in dem nur rund 360 Quadratkilometer großen und international nur bedingt anerkannten Staat. „Als die Meldung von den drei tot aufgefundenen israelischen Religionsschülern Ende Juni kam, war uns sofort klar, dass dies wieder Krieg bedeuten würde“, sagt Awad.

Nachdem Israel die islamische Widerstandsbewegung „Hamas“ für die Ermordung verantwortlich macht, kommt es zum gegenseitigen Raketenbeschuss. 1860 Menschen im Gazastreifen und 64 israelische Soldaten sowie drei Zivilisten sind laut DPA vom 8. August danach durch die militärischen Aktivitäten ums Leben gekommen.

Die Bilder auf Awads Handy zeugen davon. Ein totes Baby, zerstörte Häuser — die Meldungen über neue Angriffe auf den Gazastreifen treffen im Minutentakt ein. „Ich besitze noch zwei Brüder und zwei Schwestern in Bani Suheila. Zwei Cousins von mir wurden von Raketen getötet, als sie Wasser holen wollten“, sagt Awad.

Wasser, Strom und Nahrungsmittel gibt es kaum in dem abgeschirmten Land. Im Rücken das Mittelmeer, im Norden und Osten nicht zu überquerende Grenzen Richtung Israel. „Einzig über die Grenze Rafa im Süden Richtung Ägypten können Menschen aus dem Land gelangen“, sagt Rascha.

Doch in Zeiten des Krieges ist auch dies kaum möglich. „Es befinden sich rund 450 000 Menschen im Gazastreifen auf der Flucht“, klagt Awad an und ergänzt: „Es gibt für sie kein Ziel. Sie können den Angriffen nicht entkommen.“

Da selbst eingerichtete UN-Schulen unter den Beschuss der israelischen Armee geraten, sind die Bewohner des Gazastreifens nirgendwo vor den einschlagenden Raketen und Artilleriegeschossen sicher. Hoffnung auf ein Ende des Konflikts haben die Abushihabs, gleichzeitig stellen sie sich aber auch die Frage, wie es mit den rund 1,8 Millionen Einwohnern im Gazastreifen weitergehen wird.

„Nicht jeder Palästinenser ist ein Radikaler. Viele wollen den Krieg nicht“, sagt Jehan. „Da die Menschen aber auch in der kriegsfreien Zeit den Durchsuchungen und Kontrollen der Israelis ausgeliefert sind, besteht kaum eine Hoffnung auf ein normales Leben. Der Gazastreifen ist wie ein Gefängnis“, so die 32-Jährige weiter. Und über das wacht Israel mit Argusaugen.

„Legitimiert wird das Ganze mit dem Kampf gegen Terroristen. Dass aber auch Israel in seinem Vorgehen immer radikaler wird, stört keinen“, sagt Aziza. Kein Familienmitglied der Abushihabs will, dass überhaupt ein Mensch in dem gesamten Gaza-Konflikt ums Leben kommt, auf beiden Seiten.

„Trotzdem herrscht diese Wut auf Israel, die mit ihrer militärischen Technik wie auf Tiere in einem Gehege schießen“, sagt Rascha. Früher reiste Awad, der einen deutschen Pass besitzt, häufig in das Land, in dem er geboren wurde. Der 68-Jährige dachte zudem darüber nach, seinen Lebensabend in Bani Suheila zu verbringen. Heute betet er dafür, dass seine Familie auch den dritten Gaza-Krieg innerhalb von sechs Jahren überlebt.