Im Irak bedroht, hier nur geduldet

Der Antrag der Familie Kamal Ali auf Flüchtlings-Status ist abgelehnt worden. Die Klage sei laut Gericht „unbegründet“ .

Foto: Andreas Bischof

Die Stimmung bei den Familienmitgliedern ist getrübt. Es herrscht Trauer, Enttäuschung, Ungewissheit, vielleicht auch stille Wut. Wie geht es weiter für die Kamal Alis, die Anfang des Jahres 2016 aus dem Nordirak, aus der autonomen Region Kurdistan, auf dem Fußweg nach Deutschland geflüchtet waren? Dass die Familie um ihr Leben fürchten musste, davon ist das Verwaltungsgericht in Düsseldorf im März nicht überzeugt gewesen. Der Antrag auf einen Status als Flüchtlinge wurde abgelehnt, die Klage als „unbegründet“ abgewiesen.

Die Familie sitzt nun in Krefeld und weiß nicht, was kommen wird. Die Kamal Alis sind also nur geduldet, sie müssen jeder Zeit mit der Ausreise rechnen. Vater Karzan Kamal Ali sagt: „Im Irak hatten wir viele Probleme. Wir waren so glücklich, in Deutschland zu sein. Wir sind sehr traurig über das Urteil. Meine Frau hatte einen Nervenzusammenbruch. Sie steht noch neben sich.“

Der 45-Jährige und seine Frau arbeiten in der Gastronomie und in der Kirche. Er will im August eine Ausbildung beginnen. Die Kamal Alis haben drei minderjährige Söhne. Der 17-jährige Shazy Kamal Ali, der eine Berufsschule besucht und erst einmal den Hauptschulabschluss anstrebt, sagt: „Ich will weiter Deutsch lernen. Ich fühle mich in Deutschland sehr wohl. Jetzt aber habe ich Angst, dass die Deutschen sagen: ,Geh’ zurück’. Ich habe Angst, dass die Bedrohung zurückkommt.“

Diese Bedrohung schildert Martin Cremers, der die Familie in der Angelegenheit unterstützt und Mitarbeiter bei den Helfenden Händen ist, so: „Karzan ist ein Gegner des IS. Im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit ist er von einem Großclan bedroht worden. Sein Geschäftspartner ist nach Kanada geflohen und dort als Flüchtling anerkannt.“ In der Urteilsbegründung des Gerichts heißt es: „Anhaltspunkte, dass die Familie vor ihrer Ausreise eine Verfolgung durch staatliche Akteure erlitt oder bei der Rückkehr fürchten muss, liegen nicht vor und sind von ihnen auch nicht geltend gemacht worden. (...) Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Familie ausgerechnet von IS-Leuten bedroht gewesen sein sollte. (...) Rückkehrer wären nicht unmittelbar konkret an Leib und Leben gefährdet.“

Das sieht die Familie anders. Shazy Kamal Ali erzählt von Mitschülern, die ihm und seinen Angehörigen Morddrohungen überbracht hätten, Cremers von Einschusslöchern in der Hauswand der Familie im Heimatort Al-Sulymane-yah, ehe sich die Kamal Alis dann auf die Flucht begaben.

Cremers sagt, die Familie habe Haus und Hof und ihren neuen SUV aufgegeben und das Land verlassen. Shazy Kamal Ali fragt: „Warum sollten wir uns 4000 Kilometer auf den Weg machen, wenn es keine Bedrohung gab?“ Cremers fügt an: „Niemand geht auf so eine Reise. Das spricht für eine große Bedrohung.“

Die Familie will noch einmal juristisch kämpfen, will in Deutschland arbeiten und sesshaft werden, nicht mehr zurück in den Irak. Sie will sich hier engagieren, die Sprache lernen, Fuß fassen. Ein Anwalt soll das Urteil auf Verfahrensfehler prüfen.