Bayer-Symphoniker: Ein Klangrausch im Seidenweberhaus
140 Orchestermitglieder treffen auf mehr als 300 Sänger unterschiedlicher Chöre.
Schon der Applaus für die herein kommenden 140 Aktiven der Bayer-Symphoniker Krefeld-Uerdingen und der Philharmonischen Gesellschaft Düsseldorf stellt das Publikum vor eine Ausdauerprobe. Bevor die letzten Instrumentalisten die Bühne des Seidenweberhauses betreten, ebbt das Klatschen bereits ab. Die musikalische Leitung des Frühjahrskonzerts, das später noch mit dem Auftreten von sechs Chören zu einem gigantischen Unternehmen werden sollte, hat Thomas Schlerka. Weit mehr als vierhundert Musiker hat er an diesem Sonntagabend zu leiten.
Das Programm beginnt mit einem eher unbekannten Komponisten, mit Ernst Boehe (1880—1938) und seiner Tragischen Ouvertüre in g-Moll. Auch wenn das Werk nur einen recht neutralen Titel besitzt, könnte es als Programmmusik, die alle Wetterlagen eines Gewitters darstellt, durchgehen. Die beiden Laienorchester legen dabei eine erstaunliche Homogenität an den Tag, Einsätze und Abschlüsse stimmen.
Für das bekannte Adagietto aus der Sinfonie Nr. 5 in cis-Moll von Gustav Mahler (1860-1911) gibt es erst einmal eine kleine Wanderung der Bläser von der Bühne. Es werden nur noch die Streicher und die Harfe gebraucht. Das Adagietto erweist sich als ein „gefährliches“ Stück für ein Laienorchester — vor allem dieser Größe. Die Innigkeit, die Feinheiten und die emotionale Spannung, die in den langen Tönen und einer klaren Melodieführung stecken, schimmern nur ansatzweise durch.
Nach der Pause schaltet das Programm um auf die Stufe Maximum: Zu den 140 Orchestermitgliedern kommen mehr als dreihundert Sänger des Audienda-Chors, des Kammerchors Oberpleis (Leitung Pavel Brochin), des Jungen KonzertChors Düsseldorf, des Gospelchors St. Josef Neuss, der Chorgemeinschaft St. Josef/St. Thomas Morus (Einstudierung Guido Harzen) und des Frauenchors der Klingenstadt Solingen (Einstudierung Thomas Schlerka).
Die Rollen der vier Gesangssolisten übernehmen Alexandra Untiedt (Sopran), Viola Zimmermann (Alt), Thomas Piffka (Tenor) und Sebastian Pilgrim (Bass). Sie alle werden den vierten Satz von Ludwig van Beethovens (1770-1827) Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 in einer Bearbeitung von Gustav Mahler präsentieren.
Die ersten drei Sätze präsentieren jedoch erst einmal die beiden Orchester wieder in großer Besetzung auf der für diesen Abend „halbleeren“ Bühne. Das einleitende Allegro ma non troppo, un poco maestoso interpretieren sie jedoch sehr majestätisch. Beim dritten Satz, einem Adagio molto e cantabile, gelingt es den Musikerinnen und Musikern sehr gut, die Struktur herauszustreichen. Das Cantabile, das Gesangliche, kommt schön mit einer leichten Spannung und feinen Akzentuierung heraus. Dem Dirigenten gelingt es hier, die beste Homogenität im Spiel aus den beiden Orchestern herauszulocken.
Dann folgt die größte Wanderung Richtung Bühne, der Einzug der Chöre. Bei dieser Zahl an Sängern ist es eine große Herausforderung, eine homogene Präsentation zu schaffen. Doch die Vorarbeiten der drei Chorleiter waren eben sehr gut, und Schlerka hat das gigantische Ensemble bestens im Griff. Es ist ein ambitioniertes Programm, das eine Gratwanderung an der Grenze des Leistbaren für eine riesige Laiengemeinschaft darstellt. Man kann es den Akteuren durchaus gönnen, einmal Teil eines gigantischen Klangvolumens zu sein — ein wahrlich nicht alltägliches Erlebnis.
Doch für den Musikgenuss reicht die Originalbesetzung von Beethoven völlig aus. Das Publikum ist vom Klangrausch inspiriert und motiviert, zu einem endlos scheinenden Applaus, den man sich auch auf der Bühne gegenseitig spendet, seinen großen Teil beizutragen.