Von Verzweiflung und Zerrissenheit
Kampf um die Gunst des Vaters: Die Premiere von Friedrich Schillers „Die Räuber“ am Theater Krefeld bekommt viel Applaus.
Mit großer Begeisterung hat das Publikum die jüngste Premiere von Friedrich Schillers frühem Drama „Die Räuber“ im Stadttheater quittiert. Die Inszenierung von Schauspieldirektor Matthias Gehrt ist die vierte im Haus am Theaterplatz. Die tragische Geschichte der Familie Moor stand 1955/56, 1970/71 und 1991/92 auf dem Spielplan. Uraufgeführt wurde sie 1782 in Mannheim — mitten in der Zeit der Aufklärung, kurz vor der Französischen Revolution.
Bei Maximilian Graf von Moor (Joachim Henschke) lebt sein Sohn Franz (Henning Kallweit), der Lieblingssohn Karl (Philipp Sommer) führt ein liederliches Leben an der Universität. Karl nun schreibt einen reuevollen Brief an seinen Vater mit der Bitte um Verzeihung — die Familienaufstellung bildet den Kern dieser Inszenierung. Sein jüngerer Bruder jedoch setzt eine Intrige in Gang, an deren Ende alle untergehen. Denn er will die Macht im Hause sowie die Anerkennung des Vaters. Die Liebe von Amalia, der Braut seines Bruders, wäre auch nicht schlecht.
Nichts davon kommt auf ihn und er hadert mit der Natur, die ihn zum Zweitgeborenen und zugleich zum hässlichen Menschen gemacht hat. Schiller fasst seinen Franz von Moor als Typus, der an der natürlichen Ordnung der Welt zweifelt, der nach Aufklärung versus Religion und nach dem biblischen Thema des Geburtsrechts fragt. Henning Kallweit wird von Regisseur Gehrt als ein manchmal lächerlich übertriebener Aktionist geführt. Schon zu Beginn ist er atemlos mit zappelnden Bewegungen unterwegs, droht am Ende aber den Verstand zu verlieren. Bruder Karl und der Vater haben so wenig Vertrauen zu einander, dass sie die von Franz gefälschten Briefe für die Wahrheit nehmen. Einzig Amalia (Vera Maria Schmidt) besitzt emotionale Stärke. Ihre Liebe zu Karl besteht weiter: „Mörder! Teufel! Ich kann dich Engel nicht lassen“, sagt sie, nachdem sie von Karls gewalttätigem Mörderleben als Anführer der Räuberbande erfahren hat.
Bei Schiller ist es wie in der großen Oper: Am Ende sind alle tot. Das Drama wird mit Musik, zumeist Pop aus dem 20. Jahrhundert, unterlegt, die Tempo und Dynamik in dem Drama des „Sturm und Drang“ unterstützt. Gehrt hat das sehr lange Stück gekürzt und noch einige Texte Schillers sowie heutige hinzugegeben: Diese Betrachtungen werden von einem nun eingeführten Chorus nahezu synchron vorgetragen. Je nach Konstellation übernehmen alle Schauspieler diese Rollen.
Dann tragen sie schlichtes Grau und fungieren zugleich als Kulissenschieber. Denn die gelungene Bühne (Gabriele Trinczek) ist tief wie nie und hat ganz hinten die gute Stube im Schloss in Form eines Guckkastens, der nach Bedarf vor- und zurückgeschoben werden kann — bis er am Schluss in Nebeleffekten verschwindet. Darüber leuchten Neonröhren, sparsames Licht fällt von links durch Schlitze. Rechts reihen sich die zeitgemäßen Kostüme (überzeugend: Petra Wilke) der Empfindsamkeit bei Hofe auf kreuzförmige stumme Diener.
Die Roben der Räuber sind eine Zusammenstellung der Attribute von Militär und Soldateska vieler Zeiten. Alle Figuren sind durch die Kleiderständer immer präsent: die des Dramas bei Hofe und im Räuberwald und auch diejenigen, die die Szenenbeschreibungen vorlesen, damit der Zuschauer sich in den Zeitläufen zurechtfindet.
Wandelbar in Gestik und Tonfall zeigt sich Ronnie Tomiska in mehreren Dienerrollen und als Räuber. Verlässlich und klar Adrian Linke als Karls zweiter Gegenspieler Spiegelberg. Große Emotion vermittelt Philipp Sommer, der Karls Verzweiflung und Zerrissenheit auf den Zuschauer überträgt. Nach mehr als zweieinhalb Stunden gibt es Applaus für eine sehenswerte Inszenierung.