Veranstaltung Interessante Menschen bei „Zug um Zug“
Am Samstag kamen ARD-Chefredakteur Rainald Becker, Bayer-Chef Werner Baumann und einige andere im Nordbahnhof zu Wort.
Krefeld. Krefeld hat klasse Menschen. Weltoffen, engagiert, mit viel Mutterwitz stehen die „Global Player“ am Biertisch den Talkmastern Otto Fricke und Michael Heussen Rede und Antwort. Vier Stunden lang gibt es „Zug um Zug“, kurzweilige informative Unterhaltung, großen Bahnhof im Nordbahnhof.
„Wir haben 133 Jahre auf eine Olympiamedaille gewartet“, sagt Christoph Lüke, Chef des Crefelder Ruderclubs. Sein Vereinsmitglied, Olympiasiegerin Lisa Schmidla, hält die goldene Auszeichnung in Händen. „Es ist eine große Ehre für mich, wenn sich die Krefelder freuen“, sagt die erfolgreiche junge Schlagfrau im Doppelvierer. „Es ist ein toller Abschied der ersten Karriere.“
Denn sie will weiter durchstarten: Das Gold will sie auf jeden Fall in Tokio verteidigen. Außerdem studiert sie Journalistik. 2020 werden die Bedingungen auf der Regattastrecke sicherlich besser sein als in Rio. „Bei diesem ,Küstenrudern‘ hatten wir Angst, uns ,einen Krebs zu fangen‘, also zum Stillstand zu kommen.“
Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling — der mit den bunten Socken — ist Krefeld die einzige geteilte Stadt Deutschlands, die es noch gibt. Er bezieht sich auf die Bundestagswahlkreise. Der Politiker hat eine unruhige Zeit hinter sich: Nachdem er in einem Zeitungsbericht umstrittene US-Gesetzesinitiativen für einen strengen Urheberrechtsschutz im Netz befürwortet hatte, erntete er massive Kritik der Netznutzer, die seine Vorbehalte nur bestätigten. Als CDU-Innenpolitiker sagt er zur Gefahr von Terroranschlägen: „Es kann überall passieren. Darauf zu reagieren, ist eine große Verantwortung. Mit einem gemeinsamen EU-Terrorabwehrzentrum haben wir eine schlagkräftige Einrichtung, die sich täglich ins Zeug legt. “
ARD-Chefredakteur Rainald Becker liefert sich mit WDR-Redakteur Heussen einen Schlagabtausch: „Ich kann seine Beiträge aus dem Programm nehmen.“ Er kann aber auch — wie nach dem Terroranschlag in Nizza — den „Tatort“ für eine aktuelle Berichterstattung unterbrechen oder „Brennpunkte“ ins Programm nehmen.
Seine Befähigung für den anspruchsvollen Posten redet der gelernte KFZ-Mechaniker aus Tönisvorst — der irgendwann keine Ölränder mehr unter den Nägeln tragen wollte, weil das die Mädchen nicht gut fanden — charmant klein. „Ich wurde als Mitarbeiter der Tageszeitungen zu Schützenfesten geschickt und beim WDR nach Heuchlingen, Baden-Württemberg, zu einem Mord am Bürgermeister. Da ich nichts verstand, wollte ich den Beitrag mit Untertiteln senden.“ Eine Beförderung schaffte er, weil er zufällig die Hauptstadt der Komoren kannte. Die Vorbereitungen für das Superwahljahr 2017 laufen. „Zuvor werde ich die in Amerika angucken“, sagt der Journalist.
Katia Baudin ist die erste Leiterin des Kaiser-Wilhelm-Museums, mitsamt der Häuser Lange und Esters. „Es ist spannend, die drei unterschiedlichen Häuser im Kontext.“ Sie kommt aus Dünkirchen, wo auch Karneval gefeiert wird. „Dort wirft der Bürgermeister keine Kamelle, sondern Heringe vom Balkon ins Volk.“ Nicht ganz neu, aber vielleicht bald real: Ein Café an der Wilhelmshofallee. Baudin schwärmt von der „Faszination Bauhaus-Stil“, von der Öffnung der Räume untereinander und der freien Sicht nach draußen mitsamt der Gärten. „Die Häuser sind international bekannt, auch durch die vielen radikalen Ausstellungen wie von Yves Klein oder Christo.“ Sie möchte vielleicht einen langen Donnerstag einführen, Poesielesungen starten, eine Zusammenarbeit mit der Musikschule und Partnerschaften mit anderen Schulen beginnen. Und zum Museumsvorplatz am Westwall sagt sie: „Eine Fahrbahn vor dem Haus ist wie eine psychologische Barriere.“
„Der Bäckersohn von der Prinz-Ferdinand-Straße mit trockenem Mutterwitz“ heißt Werner Baumann und trug als Jugendlicher lieber Arzneimittel als Brötchen aus. „Da gab es mehr Trinkgeld“, erzählt der heutige Bayer-Chef. Er wollte Wirtschaftsprüfer werden. Doch dann kam er zu Bayer.
Sechs Jahre Barcelona und ebenso viele in New York hat die Familie mitgemacht. „Mit dem Mann“, findet Baumann und zeigt auf sich, gehe das klar und schmunzelt. Ehefrau Corinna bestätigt aus dem Publikum.
Natürlich ist die Übernahme von Monsanto ein Thema. „Da war ich gerade frisch in meiner Position.“ Durch den 66-Milliarden-Dollar-Kauf entsteht der größte Agrarkonzern der Welt — zum Sortiment zählen Pflanzenschutzmittel und Saatgut etwa für Mais und Soja. „Monsanto, der Vorreiter für gentechnisch veränderte Pflanzen, lässt die Leute unwohl sein. Negieren hilft da nicht.“ Baumann erklärt: „Über hundert Nobelpreisträger haben dazu aufgefordert, den schädlichen Kampf gegen die Gentechnik aufzugeben.“
Sportlich wird es dann mit Christoph Borgmann. Der Inhaber von Intersport erklärt, dass Krefeld sportlich breit aufgestellt sei und die größte Fußballvereinsdichte Deutschlands besitze. Zur Kaufkraft der Krefelder findet er: „Sie verdienen weniger als der Schnitt.“
Borgmann freut sich jedoch über die Investitionen in der Stadt. „Nie gab es hier so viele Kräne.“ Er begrüßt auch die Vergrößerung des Schwanenmarktes. „Wir passen auf, wie es wird“, betont der Fachmann und zählt auf: „Die Königsburg ist reaktiviert, das Behnisch-Haus ein Treffpunkt, Et Bröcks-ke ein Diamant. Ein Brauhaus hat in der Innenstadt Berechtigung.“ Und beim Platz vor dem Museum will Borgmann beide Seiten respektieren: „Bei besonderen Anlässen kann man die Fahrbahn sperren. Aber bei etwa 100 Besuchern am ganzen Tag — ein Platz der tot ist, hilft auch nicht weiter.“