„Wir brauchen alles, nur nicht Routine“
Alexander Henes (40) ist der neue Leiter des Hospizes am Blumenplatz.
Krefeld. Eine Begebenheit hat sich bei Alexander Henes tief ins Gedächtnis eingegraben: „Ich habe während meiner Ausbildung zum Krankenpfleger erlebt, wie ein Mensch im Krankenhaus in ein Badezimmer geschoben wurde, um ihn dort sterben zu lassen. Ab und zu wurde die Türe geöffnet, um zu sehen, ob er noch lebte.“ Dieses Schlüsselerlebnis hat bei ihm damals die Reaktion hervorgerufen: „Ich will mitwirken, dass dies anders wird.“
Henes ist der neue Leiter des Hospizes. Der 40-Jährige will, dass die Mitarbeiter des Hauses am Blumenplatz den Gästen gegenüber Präsenz zeigen, Gespräche führen und die Angehörigen mitnehmen.
„Es ist wichtig, die Hand zu halten, Nähe spüren zu lassen, Kontakt zu halten. Über Enkel oder Reisen zu erzählen und schöne Erinnerungen zu teilen.“ Auch Witze zu machen. „Alles, nur nicht in Routine verfallen, sondern jeden Gast in seiner Situation begleiten. Dazu gehört, dass wir bewusst hinhören, erfahren, wo der Gast steht und was er für seinen inneren Frieden benötigt.“
Der engagierte Mann hat dafür die Überschrift „Lebenswünsche“ gefunden, an Stelle von „Letzter Wunsch“. Denn es kann auch noch einen oder mehrere allerletzte Wünsche geben. Henes: „Wir haben in unserem Haus und im Hospiz- und Palliativnetzwerk eine hervorragende Basis für die Arbeit. Aber: Menschen und Gesellschaft verändern sich. Deshalb müssen auch wir uns in unserem Arbeiten für die Menschen entsprechend weiterentwickeln.“ Das geschieht mit den „Lebenswünschen“.
Ein Beispiel zeigt die Geschichte des 50-jährigen Gastes, der noch einmal die Nordsee sehen wollte. „Wir haben Wagen und Arzt organisiert und ihm gesagt, dass er auf der Fahrt sterben könnte. Die Antwort lautete: ,Wenn ich die Hinfahrt nicht schaffe, dann sterbe ich auf dem Weg zum Meer. Sollte es auf der Rückfahrt sein, dann sterbe ich vom Weg ans Meer.“ Alles ging gut. Er hat das Meer gesehen.
Und er hat sogar noch an der Abschiedsfeier, einem Wunsch eines weiblichen Gastes, im Garten teilgenommen. „Die 33-Jährige wollte sich von ihren Freunden im Hospiz verabschieden. Es gab ein Raclette-Essen mit Bierchen. Das Trio, zu dem noch eine Frau gehört, hat bis um 23 Uhr richtig gefeiert unter der Überschrift ,Wir machen Abschied‘.“ Nach zwei Wochen lebten zwei der drei nicht mehr.
Welche Krankheiten die Menschen haben, um die es geht, spiele keine Rolle: „Sie sterben.“ Das körperliche Leiden des Gastes und seine krankheitsbedingten Beschwerden müssen durch eine professionelle Pflege auf ein Minimum reduziert werden. „Wir müssen nicht heilen, können aber lindern.“
Henes hat Sterbebegleitung im privaten Umfeld mehrmals kennengelernt. Ebenso wie in seiner Tätigkeit bei der DRK-Schwesternschaft. Dort arbeitete er als stellvertretender Leiter des ambulanten palliativen Kinderkrankenpflegedienstes. „Ich bin mit der Pflege vertraut, auch wenn ich jetzt mehr organisatorische Aufgaben habe.“
Falls ein Engpass auftritt, ist er zur Stelle. Henes will die Angehörigen mit Gesprächen, Trauercafé und seelsorgerischer Betreuung mitnehmen. „Wir müssen den Verlust gemeinsam aufarbeiten. Abschied ist immer traurig.“ Der Leiter möchte aber auch auf seine Mitarbeiter achten, damit sie nicht zu viel von sich geben.