Ministerpräsidentin Kraft kann Krefeld
Medien-Profi menschelt mit 160 neugierigen Gästen im Schluff. Für die SPD ein Treffer.
Krefeld. Der Schulz-Express hat mächtig an Fahrt verloren, dafür schleicht in Krefeld der Schluff. Gemächlich, aber unaufhaltsam — und charmant. An Bord ist Hannelore Kraft. Mit 160 Gästen, die sie gern sehen und hören wollen. An solchen Tagen ist die Ministerpräsidentin in ihrem Element. Mensch sein, sich nicht vor ihren Innenminister werfen müssen. Mittelpunkt, ja, aber kein Heiland. Kraft ist nicht Schulz. Aber Profi ist Profi: Umfrageneinbruch? „Ich bin froh, dass es Kopf an Kopf liegt. Unsere Wähler dürfen nicht denken, wir hätten schon gewonnen.“
Kraft hat keine Berührungsängste und beherrscht die emotionale Klaviatur des Krefelders. Sie benutzt häufig Worte wie „kämpfen“, erzählt von ihrem Sohn, ihrer Verbundenheit dem Handballsport oder Borussia Mönchengladbach. „Ich bin heute etwas müde“, kokettiert Kraft. „Beim Elfmeterschießen gegen Frankfurt wurde es spät.“ Im Stadion, versteht sich.
Aber diese Wahlkampfstation, die für die hiesigen Kandidaten Ina Spanier-Oppermann und Benedikt Winzen eine rundum gelungene Veranstaltung wird, erbringt sogar Nachrichten. Helmut Späth vom Bauverein Geismühle etwa überrascht Hannelore Kraft damit, dass die anstehenden Lärmschutzmaßnahmen an der A 57 künftig die Zufahrt zur Autobahnkapelle und zur Mühle vom Parkplatz aus unmöglich machen könnten. Die oberste NRW-Genossin verspricht, „da mit Straßen NRW zu reden“.
In St. Tönis rückt Lehrer Dieter Bergau vom Michael-Ende-Gymnasium mit 20 Schülern an. Er möchte von Kraft ein Bekenntnis zu einer besseren Finanzierung von europäischen Schülerbegegnungen hören. Und hört: „Wir können die Dinge leider immer nur anschieben, aber ich bin da völlig bei Ihnen.“
Natürlich, die Bildung ist ein beliebtes Feld für Fragen. Lehrermangel? „Nie war die Versorgungsquote so hoch wie derzeit.“ Aber es gebe auch andere Probleme. Etwa, dass neue Lehrer nicht in Gegenden wie den Duisburger Norden wollten. „Wir haben zudem die Ausbildung etwas umgestellt, mehr Pädagogik und Didaktik. Und natürlich Digitalisierung.“
Angela Krumpen ist Schulpflegschaftsvorsitzende an der Rupert-Neudeck-Gesamtschule in St. Tönis und sorgt sich um politische Bestrebungen, G9 zu verhindern. Hannelore Kraft kann beruhigen. „Nach der Wahl werden wir den Schulen die Wahl lassen.“
Selbstbewusst gibt sich die Landesmutter. Die Bezuschussung von Gründungen etwa könne nicht Aufgabe der NRW-Politik sein, sagt sie zu Maria Barthels, Geschäftsführerin der Firma Derichs. Die beklagt zudem, dass gerade Kleinstunternehmen nicht über EU-Fördermöglichkeiten auf dem Laufenden wären. „Das“, meint Kraft, „ist auch Aufgabe Ihrer Wirtschaftsförderung“.
Putzig ist die kleine Mia Schubert, die für diese Art politische Bildung schulfrei beantragt und auch bekommen hat. Sie tanzt in einer Karnevalsgarde und ärgert sich, dass Züge aus Sicherheitsgründen abgesagt werden müssen. Kraft stimmt zu. „Wir müssen da noch mehr unterstützen.“
Nach fast zwei Stunden steigt Hannelore Kraft wieder um auf die Straße. Im Nordbahnhof gibt es, ganz pfiffig, rheinische Kraft-Suppe. Für die Ministerpräsidentin geht’s weiter. Zurück bleibt unter anderem ein begeisterter Rafael Azevedo, 27, aus Krefeld, und erst seit Februar in der SPD. „Ich bin einer von denen, die auf den Schulz-Express gesprungen sind. Wegen sozialer Gerechtigkeit.“ Heut ist der junge Mann Schluff gefahren. „War auch sehr gut.“