Jubiläum der Kapelle Geismühle Ein stiller Ort gleich an der Autobahn

Oppum · Die Gänsefamilie lebt offenbar gleich hinter der Autobahnkapelle. Auf dem kleinen Tümpel, der durch die bodentiefen Panoramafenster zu sehen ist, drehen die Jungtiere ihre Runden – aufmerksam bewacht von den Altvögeln.

Der Innenraum der kleinen Autobahnkapelle Geismühle. Gleich dahinter badet – gut sichtbar durch die Glaswand – eine Gänsefamilie.

Foto: Andreas Bischof

In dem kleinen Gotteshaus selbst ist an diesem Mittwochmittag deutlich weniger los: Kein Besucher lässt sich blicken, durch die geschlossene Glastür rauscht der Verkehrslärm der A 57 nur gedämpft herüber.

Vor genau 40 Jahren ist die ökumenische Autobahnkapelle an der Geismühle eingeweiht worden. Die Idee dazu hatte ein Krefelder Industrieller, der auch die Finanzierung übernahm. Der erste Entwurf stammte von Hein Stapp-
mann, nach dessen Tod wurde das Bauwerk von Ludwig Thorissen vollendet.

Seit 2008 steht die Kapelle
unter Denkmalschutz

Die beiden Krefelder Architekten haben ein bemerkenswertes Gebäude geschaffen. Ein Meditationsraum in natürlicher Landschaft war das Ziel. Das nach hinten abfallende Dach zwischen hohen Bäumen, die Dreiecksform des Innenraumes und das kleine Gewässer vor dem Fenster sollen das Gefühl der Geborgenheit unterstreichen. Seit 2008 steht die Kapelle unter Denkmalschutz.

Dass diese nicht immer so leer wie an diesem Mittag ist, zeigt das Anliegenbuch, das gleich links neben dem Eingang ausgelegt worden ist. Es stammt aktuell von Februar 2021. Seitdem wurden dort von vielen Menschen in ganz unterschiedlichen Sprachen Gebete, Wünsche, Ängste und Sorgen, aber auch Danksagungen notiert. Etwa für den Schutz auf 1000 Reisen.

„Lieber Gott, pass’ bitte auf meine Familie auf“, heißt es an einer Stelle. „Hilf mir, dass das Urteil in meiner Unfallsache gut für mich und meine Familie ist“, lautet ein weiterer Eintrag. Auch an Verstorbene wird gedacht: „Papa, jetzt sind wir an dem Ort, der dir immer lieb war. (...) Jetzt führen wir die Tradition fort und zünden für dich eine Kerze an.“

„Die Anliegenbücher werden gesammelt und archiviert“, berichtet Bernd Rahn. Er schaut seit einigen Jahren im Auftrag des evangelischen Gemeindeverbandes Krefeld jeden Mittwoch in der Kapelle nach dem Rechten, tauscht Kerzen aus, macht sauber, legt ein neues Buch aus, wenn es notwendig ist. Auch Anlieger und Mitglieder des Mühlenvereins kümmerten sich darum, dass die Würde des Ortes erhalten bleibt, berichtet er. „Überwiegend wird sie respektiert.“ Ein- bis zweimal habe man aber auch Schmierereien an den rötlichen Backsteinwänden beseitigen müssen.

Heute ist alles sauber. Nur einen toten Vogel, der sich offenbar in die Kapelle verirrt hatte, muss Rahn beseitigen. „Das passiert leider, wenn Besucher die Tür offen lassen.“ Die Fenster werden ab und zu von Profis gereinigt. „Wie die über den Tümpel hinweg an die Panoramascheiben kommen, weiß ich auch nicht“, erzählt er lächelnd.

Die Kapelle ist 24 Stunden
am Tag geöffnet

Nur 35 Quadratmeter groß ist die Kapelle. Ihre karge Ausstattung besteht aus zwei Holzbänken, auf denen auch einige Broschüren ausgelegt sind, und einer dominierenden runden Bronzescheibe in der Raummitte, die auf einem grau-weißen Sockel steht. Der Entwurf stammt von Theo Akkermann und zeigt Adam und Eva sowie weitere Motive aus dem Buch Genesis. Rechts und links von der Skulptur stehen hohe Leuchter mit Grablichtern. Da es in dem Raum keinen Strom gibt, bilden die wenigen Kerzen bei Dunkelheit die ganze Beleuchtung. Die Kapelle ist 24 Stunden am Tag geöffnet.

Während Rahn still seiner Arbeit nachgeht, macht er sich Gedanken darüber, wie lange Reisende und Berufskraftfahrer den kleinen Raum zur Besinnung und zum Gebet noch nutzen können. Denn auch er hat von den Plänen gehört, mit der Erneuerung und Vergrößerung der Raststätte auf der östlichen Seite der A 57 den Rastplatz auf der westlichen Seite verschwinden zu lassen. Denn dort ist kein Platz für die dringend notwendige Schaffung von mehr als 70 neuen Lkw-Stellplätzen. Nur eine Tankstelle mit Shop und eine Toilette sollen hier erhalten bleiben.

Die um 1300 erbaute Geismühle wie auch die Autobahnkapelle sollen dagegen hinter einer Lärmschutzwand verschwinden und sind dann nur noch über einen Stichweg von der Stadtseite aus erreichbar. Was nicht nur Rahn sehr bedauern würde.

Ob es zumindest eine neue Autobahnkapelle im Bereich Geismühle Ost geben wird? In den bisherigen Plänen ist es zumindest so vorgesehen. Anfang dieses Jahres hatte die zuständige Autobahn GmbH den Baubeginn für 2023 ins Auge gefasst. Er war in der Vergangenheit allerdings schon mehrfach verschoben worden. Da der neue Rastplatz Geismühle Ost beide Fahrtrichtungen bedienen soll, wird auch eine Brücke über die Autobahn gebaut.

Zu der Schar Gänse vor den Kapellen-Fenstern haben sich mittlerweile noch einige Hühner gesellt. Die Tiere sind völlig ungestört, denn nachdem Rahn seine Arbeit beendet hat und auch der WZ-Reporter endlich abgezogen ist, kehrt wieder Ruhe ein in der 40 Jahre alten Autobahnkapelle.