Krefelder Architekturgeschichte DRK-Schwestern trennen sich von Oetker-Villa

Krefeld · Der Architekt August Biebricher hat 1927 das Haus an der Hohenzollernstraße gebaut. Der Verkauf steht kurz bevor. Wir blicken zurück auf ein Stück Stadtgeschichte.

Das Mutterhaus der DRK-Schwesternschaft Krefeld an der Hohenzollernstraße 91 ist ursprünglich von August Biebricher 1927 für die Oetker-Familie gebaut worden.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Wer über die Hohenzollernstraße stadtauswärts geht oder fährt, blickt unweigerlich auf das weit nach hinten versetzte herrschaftliche Gebäude Hausnummer 91. Der große Vorgarten mit seiner alleeartigen Gestaltung mit Platanen rechter- und linkerseits und parkähnlicher Fläche ist selbst für dieses Viertel etwas Besonderes. Der bekannte Architekt August Biebricher (1878-1932) baute es 1927/28 für den Textilfabrikanten Rudolf Oetker (1876-1930) und seine Frau Lilly, eine geborene Jentges. Klanghafte Namen der Krefelder Stadtgeschichte. Seit 65 Jahren ist es als Mutterhaus im Besitz der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes. Die trennt sich demnächst von ihrem Gebäude, das in dem Umfang nicht mehr gebraucht wird. Anlass für uns, mit Oberin Diane Kamps noch einmal durch die geschichtsträchtigen schönen Räume zu gehen.

Inneneinrichtung zeugt von repräsentativen Wohnstil

Rudolf Oetker war Inhaber der Firma Deuss & Oetker, eine der Gründungsfirmen der Verseidag (Vereinigte Seidenwebereien Krefeld). Während deren Vorstandsmitglieder, Hermann Lange und Josef Esters, nahezu zeitgleich auf der Wilhelmshofallee ihre modernen Villen von Mies-van-der-Rohe bauen lassen, setzt Biebricher für Oetker auf eine barockisierende Formensprache. „Die Oetker-Villa weist auf eine eher konservative Gestaltungshaltung hin“, erklärt Stadtsprecher Dirk Senger.

Während die Außenwirkung der zweigeschossigen, weißen Villa eher schlicht wirkt, zeigt sich die Innenausstattung hingegen umfänglich und in Material und handwerklicher Ausführung hochwertig. Das heutige Besprechungszimmer der Schwesternschaft ist ein kleinerer repräsentativer Saal mit raumhohen, lindgrünen Wandverkleidungen aus Holz, deren Kanten in Gold abgesetzt sind. Die hölzernen Heizkörper-Verkleidungen sind kunstvoll verziert, die Fensterbank mit handgemalten Fliesen belegt, die sich mit hauchdünnen, gestanzten Blechen für den Wärmeaustausch abwechseln. „Alles war genau durchdacht“, sagt Diane Kamps noch heute bewundernd. Diese Details stehen ebenso unter Denkmalschutz wie der französische Kamin aus dem 18. Jahrhundert aus einem der Berliner Schlösser sowie der Intarsienparkettboden im großen Nebenraum, dem ehemaligen Wohnzimmer der Familie Oetker. In den ersten Jahren im Besitz der Schwesternschaft war dies das Büro der Oberin Anneliese Hinrich, die auf Gusti Gruber gefolgt war.

Auf dem Foto aus den 1960er-Jahren ist vom Park aus das neue Wohnheim rechterseits gut zu sehen, in dem heute eine Kita untergebracht ist.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Weitere Oberinnen im Laufe der Jahrzehnte waren Klementine Vollmer, Christel Meerkamm, Karin Meincke und seit 2016 Diane Kamps. Die letzten Oberinnen waren längst aus dem großen Raum in ein kleineres Büro im ersten Obergeschoss umgezogen. Das ehemalige Wohnzimmer der Oetker-Familie mit Zugang zum großen Park hinter dem Haus diente von da an als würdiger Raum für Feiern und Ehrungen.

Zwei Jahre lang, ab 1952, hatte der damals sehr bekannte Couturier Werner Lauer die Villa als repräsentativen Firmensitz genutzt, der sie zuvor von der verwitweten Lilly Oetker gekauft hatte. Die zog in das kleinere Gartenhaus auf dem Grundstück, das später geteilt wurde. 1954 zog dann die Schwesternschaft ein.

Sitzecke im ehemaligen Oberinnen-Zimmer in den 50er-Jahren.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die Schwestern nutzten das Gebäude als Mutterhaus mit Büros und Wohnmöglichkeiten für Rot-Kreuz-Schwestern im Ruhestand. 1963 wurde das Haus um einen Wohnheimanbau nach Plänen des Architekten Jacob Prinzen erweitert. Bis in die 1960er-Jahre waren die Rot-Kreuz-Schwestern nicht verheiratet gewesen und die Zugehörigkeit zum Mutterhaus gleichbedeutend mit Familie. Entsprechend kümmerte sich jede Schwesternschaft auch lebenslang um ihre Mitglieder. Unter dem Dach der Oetker-Villa wohnten jahrzehntelang die Schwesternvorschülerinnen zu zweit oder dritt in kleinen Zimmern. Das mittlere ist von Weitem gut zu erkennen an dem kleinen runden Fenster im Spitzgiebel zur Straßenseite.

1984 wurde die Villa samt Konstruktion und Erscheinungsbild, einschließlich Innenausstattung, Front und Vorgarten in die Denkmalliste der Stadt eingetragen. „Möglichkeiten einer weiteren Nutzung können abgestimmt werden“, sagt Senger, die Details sind aber zu erhalten.