Armut Sozialdienste: Fast jedes vierte Kind wächst in Hartz IV-Umfeld auf
Krefeld · Die Wartezimmer der katholischen Vereine sind voll. Immer mehr Menschen kämpfen mit den Folgen von Armut.
In den Beratungsstellen sind die Wartezimmer voll. „Die Not ist groß“, sagt Tanja Himer, die Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen in Krefeld (SkF). Zusammen mit dem Katholischen Verein für soziale Dienste (SKM) will die Organisation seit Jahren gegen Armut und Ausgrenzung ein Zeichen setzen, die Bevölkerung für dieses Thema sensibilisieren. So war es auch wieder rund um den „Internationalen Tag der Armutsbekämpfung“, wie der SKM in seinem Heft „Weniger ist nix“ schreibt. Denn: „Die Schere von Armen und Reichen klafft immer weiter auseinander. Das wollen wir nicht hinnehmen“, sagt die Krefelder SKM-Geschäftsführerin Caroline Frank-Djabbarpour.
Deutschlandweit und auch in Krefeld seien laut Schätzungen 16 Prozent der Menschen von Armut betroffen. Für Krefeld gebe es keine Aufschlüsselung der genauen Zahlen. Vor wenigen Tagen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Hartz-IV-Empfänger keine drastischen Streichungen oder Kürzungen ihrer Hilfen befürchten dürfen. Minderungen um 60 Prozent über mehrere Monate seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Leistungen dürften zwar leicht gekürzt werden, wenn Arbeitslose ihren Pflichten nicht nachkommen. Der Mensch dürfe aber nicht auf das schiere physische Überleben reduziert werden. „Die Kürzung ist ein deutlicher Verstoß gegen die Menschenwürde“, sagt Frank-Djabbarpour: „Wir sind froh, dass das Bundesverfassungsgericht es so gemacht hat, dass die Sanktionen überdacht werden müssen.“
Vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Leute mit Einwanderungshintergund, die teilweise auch wegen Arbeitsverboten erwerbslos sind, seien von Armut besonders betroffen. „Jedes vierte bis fünfte Kind in Krefeld wächst in einem Hartz IV-Umfeld auf.“, sagt Caroline Frank-Djabbarpour. In hohem Maße seien deutschlandweit aber auch Alleinerziehende betroffen. Dahinter auch junge Erwachsene und Alleinlebende, natürlich auch Erwerbslose. „Wir setzen uns schon seit Jahren dafür ein, dass Menschen nicht unterhalb der Armutsgrenze leben müssen“, sagt Tanja Himer (SkF): „Wir sehen das sehr problematisch.“
Gerade junge Menschen bis 25 Jahre wären von den Sanktionen betroffen. „Warum geht man mit jungen Leuten so um?“, fragt Himer. Die Folge wären in der Praxis eine verminderte gesellschaftliche Teilhabe. Sparen bei Essen und Kleidung, um nur zwei Beispiele zu nennen. „Es ist auch so, dass die Lebensexistenz dann nicht mehr gewährleistet wird.“ Täglich bieten beide Vereine eine kostenlose Beratung an. Erst eine allgemeine Sozialberatung, dann wird sortiert je nach Anliegen. Miete, Strom, Telefonkosten, Schulden, aber auch fehlende Mobilität oder sogar einfach nur Hunger. Himer erzählt von einer Frau mit Kleinkind, die den Strom abgedreht bekam. Die Berater hätten viel zu tun. Die Zahl der Alleinerziehenden sei in Krefeld im Landesvergleich hoch.
Da viele junge Menschen von Armut gefährdet seien, gehen die Vereine auch an die Schulen. Sie wollen vorbeugen, sie wollen Unwissen dort bekämpfen, bevor es zu spät ist: „Wir wollen die Kompetenz der Schüler beim Thema Finanzen stärken“, sagt SKM-Geschäftsführerin Caroline Frank-Djabbarpour. Aber auch in den Beratungsstellen geht es um harte Fakten: Existenzsicherungsberatung wird angeboten. Ad hoc soll dort den Menschen geholfen werden. Bei der Schuldnerberatung müssten die Leute aber bereits bis zu sechs Monate warten. Die Wartelisten sind voll. Neben den Sozialhilfeleistungen greift auch die Krefelder Tafel den Bedürftigen unter die Arme. Auch dort steigen die Zahlen seit Jahren.