Das Uerdinger Klärwerk „Das tollste Klärwerk überhaupt“
Uerdingen · Geht es um den Jugendstil-Bau am Rundweg, geraten die Eigentümer ins Schwärmen. Doch es gibt viel zu tun.
Vier Freunde machen sich für das denkmalgeschützte Klärwerk am Rundweg stark. Die privaten Eigentümer geraten, wenn sie über das Jugendstil-Haus von 1908 sprechen, geradezu ins Schwärmen über das ihrer Ansicht nach „tollste Klärwerk überhaupt und das letzte erhaltene Klärwerk aus der Industrialisierung unserer Städte“. Mit ihrer Schwärmerei, haben sie Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin für Heimat und Kommunales, Bau und Gleichstellung, bei ihrem Besuch angesteckt.
Unter dicken Schichten von Staub und Schutt entdeckten die engagierten vier Männer bereits jetzt schöne Bauelemente. „Es liegen überall Terrazzoböden, auch in der 500 Quadratmeter großen, nun aufgeräumten Halle. Die Wände sind mit glänzend weißen Kahla-Kacheln aus Thüringen verkleidet und von Graffiti befreit worden. Durchgänge, die leicht geschwungene Treppe und der rings ums Haus herumlaufende Sockel bestehen aus Lavabasalt aus Mendig in der Eifel“, zählen Christoph Becker und Till Preis auf. „Sogar der Schienenverlauf der Loren zeigt von oben betrachtet eine florale Ornamentik. Dieser künstlerische Entwurf ist im Ingenieurbau sehr selten.“
Die Eigentümer haben sich jedoch nicht nur auf das plötzliche und unerwartete Entdecken toller Details im „Palast der Hygiene“ verlassen, sondern auch bewusst Industrie-Archäologie und -Geschichtsforschung betrieben. Ihre Begeisterung ist begründet: Sicherlich sei die Konstruktion des Krefelder Klärwerk-Hallengebäudes nicht einfach „nur“ durch den jungen Architekten Bruggaier „erstellt“ worden. Vielmehr müsse eine erfahrene Baufirma wie beispielsweise Dyckerhoff und Widmann mit ihren herausragenden Ingenieuren die technischen Aspekte und die Ausführung des Baus begleitet haben.
Unter dem Gebäude wurden
Kanäle freigelegt
Was auch so nicht bekannt sei: „Unter dem sicherlich modernsten Gebäude aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts in Krefeld wurden originale Kanäle mit einer Länge über 50 Meter frei gelegt.“
Und was den außerordentlichen Standort betrifft: „Damals kam der kaiserliche Baurat Hubert Hentrich als Beigeordneter nach Krefeld, um den Rheinhafen samt Hafenbahn und Drehbrücke zu bauen. Parallel dazu sollte – als hintergründiges Ziel – der Rhein-Maas-Schelde-Kanal entstehen, als Ergänzung des Mittellandkanals und als Verbindung nach Antwerpen.“ Die erste Schleuse sei an der jetzigen Stelle des Klärwerks geplant gewesen.
Die Männer sind bestrebt, das Haus von allen Bausünden der Vergangenheit zu befreien, bis nur noch das Klärwerk selbst übrigbleibt. Die einfache Überschrift lautet: „Wir retten das nationale Denkmal mit wahnsinnig viel Eigenleistung.“
Über die Beschädigungen der Vergangenheit können sie nur ihr Bedauern ausdrücken. Becker: „Schwere Schäden erfolgen nach 1980 durch eine Umnutzung. Durch eine ,Abwasserpumpstation` und die Belastung durch industrielles Abwasser eines Gebühren zahlenden Einleiters entstehen immense, sichtbare Schäden an der Substanz. Mikroorganismen setzen Salze frei, Korrosion und die Zersetzung des Zements und allen Metalls beginnen.“
Der verwendete Eisenbeton für die Konstruktion des Daches sei damals der modernste Baustoff gewesen. „Nur mit ihm war der Bau der weichen Jugendstilformen möglich. Die beiden halbrunden Büros tragen schon Elemente der Moderne.“
Allein die Dach-Sanierung dürfte rund zwei Millionen Euro kosten
Bei der Sanierung machen sich die Männer auf künftige unvorhergesehene Entdeckungen gefasst, die Mehrkosten verursachen werden. Preis: „Alleine die Sanierung des Daches wird samt originalem Schieferbelag rund zwei Millionen Euro verschlingen.“ Das Denkmal-Förderprogramm des Landes NRW könne bis zu 50 Prozent der notwendigen Ausgaben bezuschussen, wissen die Eigentümer.
„Für einige der Maßnahmen, insbesondere die an und in der Klärhalle, dem Dach und Beton, wird diese Förderung allerdings nicht für eine schnelle Realisation ausreichen können. Privates Engagement ist hier trotz Steuererleichterung überfordert.“ Daher werde die Sanierung nun alternativ über mehrere und sehr langfristig angelegte Bauphasen mit weiterhin hoher Eigenleistung und ehrenamtlichem Engagement verteilt werden.
Fest steht: Das Büro der vier Freunde, das derzeit in einem Zechengebäude in Essen angemietet ist, soll als erster Schritt ab Ende 2020 an den Rundweg umziehen und die durchgehende Belebung des eigenen Klärwerks sicherstellen – und langfristig auch Einnahmen, die zur Deckung der Betriebskosten beitragen. Preis: „Es wird im vorderen Teil des Gebäudes errichtet, als Haus im Haus. Das heißt, es werden gläserne Büros errichtet, die die alte Struktur nicht tangieren oder gar beschädigen und im Falle eines Auszugs ohne Schäden zurückgebaut werden können.“
Das Ziel ist es, die gesamte Anlage einer möglichst großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Eisenbeton-Konstruktion der großen Klärhalle soll so ertüchtigt werden, dass sie trotz der Beschädigungen der frühen Umnutzung auch die nächsten 111 Jahre überstehen wird. Die vier Freunde wollen eine dauerhafte Öffnung des Jugendstil-Hauses in Uerdingen als Exponat seiner selbst erreichen.