Kultur Moldawischer Verein fordert zum Tanz auf

Krefeld · Seit fünf Jahren gibt es den Kulturverein „Plai“ in Krefeld, Räume hat er allerdings keine — getanzt wird im Freien, gefeiert in Mönchengladbach

Mehr als 300 Menschen moldawischer Herkunft leben heute in Krefeld.

Foto: Moldawischer Verein

Wenn Nadejda Serbescu die bunten Ornamente auf ihrer weißen Tracht erklärt, verändert sich ihre Stimme. Mit Leidenschaft deutet die 53-jährige Grundschullehrerin die aufwendigen Stickereien, die die Ärmel der Frauenoberteile verzieren. „In Moldawien erkennst du an der Tracht, aus welcher Region der Träger stammt“, sagt sie. „Die Gestaltung hat immer eine Bedeutung. Im Zentrum des Landes gibt es zum Beispiel viele Wälder – hier tragen die Menschen grüne Stickereien.“ In Moldawien, da, wo Serbescu geboren wurde, kommt der traditionellen Tracht eine besondere Bedeutung zu. Denn das Tragen der außergewöhnlichen Kleidung ist tief in der Kultur verwurzelt. Moldawien widmet der Tracht jedes Jahr aufs Neue eine einwöchige Festwoche.

Diese Tradition möchte der Moldawische Kulturverein „Plai“ nun auch nach Deutschland bringen: Am 29. Juni ab 12 Uhr veranstaltet Plai ein großes Fest mit Live-Musik, Folkloretanz, traditionellen Speisen und einem bunten Marktangebot. Tickets sind ab jetzt im Internet erhältlich. Der Verein nutzt die Veranstaltung auch, um sein fünfjähriges Bestehen zu feiern.

Gemeinsam mit fünf weiteren Paaren gründeten Nadejda Serbescu und ihr Mann im Jahr 2019 den Kulturverein. In Krefeld leben heute mehr als 300 Menschen mit moldawischen Wurzeln. „Der Kulturverein ist für uns eine tolle Möglichkeit, um unsere moldawische Tradition auch hier in unserer neuen Heimat zu bewahren“, erklärt Serbescu. „Gleichzeitig hoffen wir, durch unser Fest den Kontakt mit anderen Krefeldern noch weiter zu verbessern. Es soll ein großer Tag der internationalen Begegnung werden.“

Dass Krefeld die Stofftradition mit Moldawien teilt, ist dabei ein schöner Zufall. Die 53-Jährige ist sich sicher: „Nichts geschieht ohne Grund.“ Dabei hat sie selbst erlebt, dass Gründe oft erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. „Als Fremder in Deutschland anzukommen, ist eine große Herausforderung. Die Sprache ist neu, genauso wie alle Traditionen und Gewohnheiten“, sagt sie. „Ich habe damals den Kulturverein gegründet, weil ich Sehnsucht nach unseren moldawischen Gewohnheiten hatte. Gleichzeitig wollte ich anderen Neuankömmlingen das Ankommen in Krefeld erleichtern.“

Der Kulturverein hat heute 30 Mitglieder. Gemeinsam feiern sie die moldawischen Feiertage und treffen sich mehrmals im Monat – vor allem zum Tanzen. Denn der Folkloretanz ist ein wichtiger Teil der moldawischen Kultur, erzählt die 53-Jährige: „Moldawien ist sehr traditionell. Egal, ob am Geburtstag oder zu Ostern, an jedem Feiertag wird gemeinsam getanzt. Der Tanz half früher auch bei der Partnersuche.“ Denn nach alter Tradition finden jeden Sonntag Tanztreffs statt. Gehörte es früher nicht zum guten Ton, dass junge Männer und junge Frauen sich gemeinsam in der Öffentlichkeit trafen, war der sonntäglich Tanz ein guter Anlass, um auf Partnersuche zu gehen, erklärt Serbescu und schmunzelt: „Man wusste sich zu helfen.“

Auch die Tracht gehörte früher zum Alltag dazu. Wird sie heute in der Regel nur an Festtagen angezogen, war sie damals ein alltägliches Kleidungsstück. „Selbst zur Arbeit unter der Woche trug man traditionelle Kleidung“, schildert die Krefelderin. Als der Moldawische Kulturverein gegründet wurde, war deswegen klar, dass die erste, gemeinschaftliche Investition eine gemeinsame, uniforme Tracht sein soll. Aufwendig und individuell bestickt ist die Anschaffung kostspielig, über Fördergelder konnte der Verein 2022 insgesamt 30 Trachten erwerben. In der Regel einmal in der Woche treffen sich die Mitglieder seither zum gemeinsamen Tanzen. Da ein Vereinsraum bislang nicht gefunden wurde, verabreden sie sich an öffentlichen Orten: Ob im Stadtwald, auf großen Parkplätzen oder in Hinterhöfen – die Männer und Frauen, die sich an den Händen halten und sich zur Folkloremusik in ihren farbenfrohen Gewändern bewegen, sind eine besondere Erscheinung. „Gerade im Winter wäre ein gemeinsamer Raum natürlich schon schön, denn immer wieder macht uns das Wetter bei unseren Treffen einen Strich durch die Rechnung“, sagt Serbescu. „Wenn jemand eine Idee hat, freuen wir uns über eine Mitteilung.“

Für das große Fest am 29. Juni laufen die Tanzvorbereitungen auf Hochtouren. Plai fährt zum besonderen Festtag groß auf: Mit Igor Rusu und Marina Coptu kommen zwei Folklore-Größen aus Moldawien an den Niederrhein. Costi Burlacu und Corina Tepes sind ebenfalls bekannte Musiker in ihrer Heimat – sie präsentieren sich mit populärer Musik. Auch der Kulturverein hat ein begleitendes Programm geplant: Serbescu und ihre Mitstreiter werden unterschiedliche Trachten präsentieren und im Rahmen einer Modenschau die verschiedenen Traditionen auf Moldawisch und Deutsch erklären. Natürlich ist auch eine Tanzvorstellung Teil des Programms. Außerdem gibt es einen moldawischen Markt, auf dem selbstgemachte Spezialitäten aus der Heimat gekauft werden können. „Schade ist, dass wir unser Fest nicht in Krefeld, sondern in Mönchengladbach feiern werden – in Krefeld haben wir einfach keine Räume gefunden“, erklärt die Vereinsvorsitzende. „Wir hoffen, dass trotzdem viele Krefelder den Weg zu uns finden.“