Musikschule Streichtrio ehrt vergessene Komponisten in der Musikschule

Bockum. · Jüdisches Kammerorchester errichtet Mieczysław Weinberg und Erwin Schulhoff „musikalische Stolpersteine“.

Das Trio Jewish-Chamber-Orchestra überzeugte in der Musikschule mit dem Andenken an verfolgte Komponisten.

Foto: Mark Mocnik

Stolpersteine sollen an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors erinnern. Täglich wurden in dieser Zeit Nachbarn und Arbeitskollegen, lokale Ladenbesitzer und Freunde aus dem Stadtbild getilgt, deportiert und getötet. Am Mittwoch wurden nicht nur 18 weitere physische Stolpersteine an sechs Orten in Krefeld verlegt. Am Abend veranstaltete die NS-Dokumentationsstelle an der Musikschule noch eine musikalische Ehrung von verfolgten Künstlern. Das Streichtrio vom Jewish-Chamber-Orchestra aus Hamburg spielte bei ihrem Konzert nicht nur Schubert, sondern präsentierte Stücke von zwei Komponisten, die unter den Deutschen zu leiden hatten, deren Werke von ihnen fast erfolgreich aus der kollektiven Erinnerung getilgt wurden.

Das dreiköpfige Ensemble bestehend aus Mutter Natalia Alenitsyna und Sohn Emanuel Meshvinksi an den Geigen, sowie Vater Pjotr Meshvinski am Cello besteht nun seit rund zwei Jahren, sieht sich aber in der Tradition des Jüdischen Kammerorchesters Hamburgs, das noch 1934 gegründet wurde, durch Berufsverbote und Vertreibung allerdings nicht lange wirken konnte.

Die Einordnung der
Komponisten fällt kurz aus

Zu Beginn des Abends begab sich Emanuel nach vorne und erzählte von den beiden vergessenen, doch bedeutsamen Komponisten Mieczysław Weinberg und Erwin Schulhoff. Weinberg floh 1939 aus seiner polnischen Heimat in die Sowjetunion. Dort lernte er Schostakowitsch kennen und wurde sein Schüler und Freund. Schulhoff wurde in Prag geboren, als Sozialist 1942 in ein Internierungslager deportiert und starb dort.

Die Einordnung fällt kurz aus, die Streicher wollen die Musik sprechen lassen. Ein umfassendes Bild von den vergessenen Persönlichkeiten bekommt das Publikum nicht. Die Stücke wurden auch nicht betitelt oder den Komponisten zugeordnet. So kann ohne Vorwissen kaum etwas darüber gelernt werden, welchen Stil welcher der beiden Komponisten nun hat oder gar, wie ihre Lebensumstände die Musik prägten. Das Publikum so mit der Musik alleine zu lassen, ist zwar nicht ungewöhnlich, doch für „musikalische Stolpersteinen“ wäre mehr Einordnung vielleicht hilfreich gewesen.

Im Gesamten vermittelt die Musik dann aber schon selbst, wie einflussreich die beiden Komponisten waren und was für eine besondere Musik sie schrieben. Der Auftritt des Trios bestand keineswegs nur aus gefälligen Harmonien. Auf den Geigen wurde schrill mit dem Bogen durch die Saiten gezogen, auf dem Cello wuchtig auf diese geschlagen. Dissonante Tonabfolgen und erdrückende basslastige Musik wechselten sich ab. Eingebettet waren die Experimente aber immer in einen harmonischen Rhythmus, um den Zuhörern Orientierung zu bieten.

Die Auswahl der Stücke sorgte für einen abwechslungsreichen Abend, bei dem vielleicht nicht alle Werke jedem gefallen. Insgesamt wurde dieser Mut, etwas Besonderes bieten zu wollen, vom Publikum aber gut angenommen: „Ich hätte nicht gedacht, heute so etwas Experimentelles zu hören. Man traut den Klassikern ja manchmal gar nicht zu, so modern zu klingen“, resümierte der 56-jährige Gast Mark Saxer. Sein persönlicher Höhepunkt war dann aber doch ein Stück, das den meisten bekannt sein sollte. Als Zugabe nach dem rund einstündigen Kammerkonzert wurde die Titelmusik von Schindlers Liste gespielt: „Da kommen einem die Bilder natürlich sofort wieder vor Augen.“