Stadtbad Wenn Moby Dick im alten Freibad auftaucht

Krefeld · Ein Puppentheaterstück nach dem Klassiker von Herman Melville ist am Stadtbad aufgezeichnet worden. Ab Freitag ist es im Netz zu sehen.

Ideengeber Philip Lethen und Puppenspieler Volker Schrills vom Puppentheater Blaues Haus im Freibad des alten Stadtbades an der Neusser Straße.

Foto: Andreas Bischof

Die Beteiligten geraten ins Schwärmen: „Unglaublich faszinierend“ nennt Philip Lethen die Atmosphäre bei der Aufnahme, vom „magischen Ort“ spricht Marcel Beging und auch Volker Schrills vom Theater Blaues Haus in Hüls ist begeistert von der unglaublichen Atmosphäre, bei der die Fledermäuse durch die Luft flatterten, während er vor der Kulisse des alten Stadtbads zwischen Neusser und Gerberstraße seine Puppentheater-Version von „Moby Dick“ unter freiem Himmel aufführte. Zuschauer gab es so gut wie keine – doch das wird sich am Freitag ab 19 Uhr ändern.

Der Reihe nach. Philip Lethen ist künstlerischer Leiter der Initative, die seit dem vergangenen Jahr den Theaterplatz wieder als Fest-Ort in der Krefelder Innenstadt etablieren will. Auch für die kommenden Monate hatte er schon einiges vorbereitet. Los gehen sollte es am 25. April – doch dann machte die Corona-Krise einen dicken Strich durch seine Rechnung.

Lethen und seine Mitstreiter überlegten gerade, wie sie ihren künstlerischen Ansatz trotzdem weiter verfolgen und den Krefeldern kostenlos Kultur zeigen können, als ein telefonischer Kontakt zu Marcel Beging von den „Freischwimmern“ entstand. Der Verein arbeitet seit eineinhalb Jahren daran, das alte Stadtbad mit Leben zu erfüllen, auch ihm hat Corona öffentliche Veranstaltungen unmöglich gemacht. Doch das Gelände des Bads als ganz besonderen Spielort zur Verfügung zu stellen, das ist ihm weiter möglich. Und so entstand die Idee, Volker Schrills vom Blauen Haus dort auftreten zu lassen. Dieser gehörte schon im Vorjahr zu den Akteuren beim Festival „Jetzt tanzen alle Puppen“ auf dem Theaterplatz.

Vier Kameras zeichnen
das 90-Minuten-Stück auf

„Wo sonst wenn nicht im Freibad“ und seinem Wasser könnte laut Lethen das berühmte Stück um den weißen Wal in Krefeld gespielt werden. Seit etwa zweieinhalb Jahren hat es Schrills im Repertoire, unter freiem Himmel hat er es allerdings noch nie gezeigt. Zweite Besonderheit: Kein Publikum war diesmal dabei, sondern vier Kameras zeichneten die 90-Minuten-Aufführung auf, die ab Freitag als Stream im Netz zu sehen sein wird.

 An einem schönen Vollmond-Abend vor Ostern ging dafür die Inszenierung von René Link über eine Bühne, die eigens vor der wuchtig emporragenden Kulisse des Schwimmbads errichtet worden war. Das sei notwendig gewesen, denn der alte Untergrund aus großen Platten am Rand des Freibad-Beckens war völlig uneben. Puppenspieler Volker Schrills, der in die unterschiedlichen Rollen des Klassikers von Herman Melville schlüpft, hätte dort nicht gefahrlos agieren können.

Das leerstehende Schwimmbad ist nicht nur Kulisse bei der Aufführung, sondern wichtiger Teil der Inszenierung: Die Rückwand des Gebäudes zum ehemaligen Freibad hin bietet die große Fläche von 16 mal 25 Metern, auf der Projektionen zu sehen sind, die von der Krefelder Künstlergruppe Sputnic entworfen wurden. Auch der besondere Hall im Hof spielt eine bedeutende Rolle, wenn dort die Stimme von Schrills oder gar der düstere Gesang des Wals – gespielt auf einem Kontrabass – zu hören sind. Scheinwerfer kamen bei der Aufzeichnung zum Einsatz, aber auch die Natur spielte mit. Philip Lethen berichtet von streitenden Katern und von aus der Ferne klingenden Polizeisirenen.

Derzeit werden Film- und Tonaufnahmen noch geschnitten, das Endergebnis wird ab Freitag gezeigt. Obwohl es sich um ein Puppentheaterstück handelt, warnen Lethen und Schrills ausdrücklich davor, es mit kleinen Kindern anzusehen: Es handelt sich um eine Inszenierung für Erwachsene, voller unheimlicher Effekte und Düsternis, die in diese Zeit passe, so Lethen. Es geht um Abenteuerlust und den Mut, dazu aufzubrechen. Es geht aber auch um Verblendung, Feigheit und Schuld.

„Ein Krefelder Gesamtkunstwerk“ nennt Philip Lethen die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure. Folgerichtig soll das Stück über die Seiten der kompletten Krefelder Kulturlandschaft gestreamt werden können (siehe Kasten).

Ein wuchtiges Lebenszeichen der Krefelder Kultur wird Moby Dick in die digitale Welt blasen – und es soll nicht das einzige bleiben. Wie Philip Lethen ankündigt, habe man für die kommenden Monate schon „ein paar Sachen in der Pipeline“.